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Bleibt im Marketing alles, wie es ist?

Bleibt im Marketing alles, wie es ist?

Autor: Andreas Wiehrdt
München, den 11.03.2024
Titelbild: DALL-E

»Wir stellen unser Marketing jetzt komplett auf diese neue Customer Centricity um«, berichtet mir dieser Tage stolz ein mittelständischer Unternehmer, für den ich vor zwei Jahren einige Markenworkshops moderieren durfte. »Das wird aber auch Zeit«, hätte ich am liebsten geantwortet, aber ich hielt mich zurück, denn besser spät als nie.

Das Gespräch hat mir wieder einmal gezeigt, dass viele Marketing-Grundsätze erfunden wurden, um zu bleiben. Was sich ändert, ist der Kontext, in dem wir das Gelernte und Bewährte anwenden. Ich kann das sagen, weil ich seit den 80er-Jahren Marketing mache.

Am Beispiel Customer Centricity möchte ich in diesem Beitrag zeigen, dass viele der »alten« Grundlagen und Glaubenssätze des Marketings auch heute noch gelten, obwohl sich die Zielgruppen und die Medienlandschaft ständig verändern.

Hand aufs Herz: Wir Marketer lieben neue Themen. Wir vergöttern die neuesten Theorien, Technologien, Moden, Innovationen, Medien und Kampagnen und feiern fast jede neue Sau, die durchs Marketingdorf getrieben wird. Es scheint in unserer DNA verankert zu sein, dass das Neue immer besser und das Neueste das Beste ist. Das ist ja auch verständlich. Marketing orientiert sich am Markt, also müssen wir über alles Neue auf dem Laufenden sein. Wir bewerben unsere Marken gerne mit dem vollmundigen Versprechen des Neuen und Besseren. Neu" ist das, was uns und unseren Kunden am besten gefällt.

Aber das wirklich Neue im Marketing ist der Kontext, in dem wir arbeiten, nicht die Grundlagen unserer Arbeit. Und so fasziniert wir von allem Neuen sind, so oft verlieren wir es aus den Augen. Das führt dazu, dass wir die alten Glaubenssätze und Grundlagen des Marketings immer wieder neu entdecken.

Nehmen wir das Mantra der Konsumentenzentrierung. Schon in der Mad Men-Ära der 50er- und 60er-Jahre warnte David Ogilvy: »Der Konsument ist kein Idiot, sie ist deine Frau.« Mit anderen Worten: Lasst den Verbraucher nicht außen vor - stellt ihn in den Mittelpunkt eurer Arbeit. Vor Ogilvy betonte Peter Drucker, dass der Verbraucher an erster Stelle steht. Der Harvard-Marketing-Guru Theodore Levitt wiederholte dies in den 1970er- und 1980er-Jahren. Don Peppers und Martha Rogers fügten in den 1990er-Jahren den Aspekt der Eins-zu-eins-Personalisierung hinzu. Die Marketinglegende Jag Sheth von der Emory University fügte in den 2000er-Jahren eine organisatorische Komponente hinzu. Dann kam die Digitalisierung und die Angst, den einzelnen Verbraucher im Heuhaufen von Big Data zu verlieren, was Mitte der 2010er-Jahre zu einer weiteren Wiederbelebung der Idee führte. Jetzt, in den 2020er-Jahren, wird sie unter dem Buzzword Customer Centricity wieder aufgegriffen.

Was wir aus dieser ständigen Neuinterpretation derselben alten Idee der Kundenzentrierung lernen, lässt sich vielleicht am besten als die entscheidende Ironie des Marketings beschreiben: Während sich die Welt um uns herum ständig verändert und wir fast krampfhaft versuchen, immer als erste alle relevanten Trends und Veränderungen zu erkennen, bleiben die wissenschaftlichen Grundlagen unserer Arbeit oft unverändert. Was sich im Marketing ständig ändert, ist der Kontext. Viele Grundlagen bleiben gleich. Mehr zum Thema Zielgruppen hier auf dem Blog: »Sind Tribes der neue heiße Schei... für's Marketing?«


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Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Allein, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.


Wie ich’s mit dem Gendern halte:
Im Interesse einer besseren Lesbarkeit und aus Respekt vor unserer schönen deutschen Sprache habe ich mich dazu entschlossen, in der Regel das generische Maskulinum verwendet. Die Texte beziehen sich aber immer auf Angehörige aller Geschlechter.