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B2B meint nicht Boring to Boring!

Photo by Magnet.me on Unsplash
München, den 02.02.2021

»Das mit der Markenpersönlichkeit ist ja grundsätzlich eine tolle Sache, aber wenn ich hauptsächlich B2B verkaufe, interessiert dann überhaupt jemanden die Persönlichkeit unserer Marke?«. Das war einer von vielen Kommentaren zu einem kürzlich veröffentlichten Beitrag, in dem ich erkläre, warum es so verdammt wichtig ist für jede Marke, die eigene Markenpersönlichkeit möglichst klar und differenzierend zum Wettbewerb zu definieren.

Wenn ihr B2B hört, woran denkt ihr dann? An Business-to-Business, also ein Geschäftsmodell, bei dem ein Anbieter nicht an private Endkunden, sondern an gewerbliche Kunden verkauft, natürlich. Aber viele denken auch gleichzeitig: pfurztrocken, sachlich, rational, ..., Boring to Boring halt.

In diesem Beitrag möchte der BrandDoctor B2B-Marketer dazu motivieren, sich in der Markenführung stärker an den B2C-Marken zu orientieren und mehr Emotion und Leidenschaft in ihre Marketingmaßnahmen zu packen.

Erst dieser Tage bedauerte ein Auftraggeber, Geschäftsführer eines erfolgreichen Herstellers von Sprühgeräten, dass seine Produkte leider so gar nicht sexy seien und die Einkäufer im Handel wenig Involvement und Leidenschaft für diese Produktkategorie zeigen würden, wenn sie ihre Einkaufsentscheidungen treffen.

B2B hat einen schlechten Ruf.
Viele B2B-Marketer scheinen voller Neid auf ihre B2C-Kollegen zu schauen, die mit gut ausgestatteten Marketingbudgets und viel beachteten Kampagnen emotionale Bindungen ihrer Marken mit ihren Kunden und Konsumenten aufbauen können.

B2B hat leider einen schlechten Ruf - B2C-Marketing wird bestenfalls als aufregend, unterhaltsam und interessant angesehen, aber B2B-Marketing, nun ja, das überlässt man am besten spaßbefreiten Vertriebsbeauftragten oder gleich den nerdigen Produktentwicklern, oder?

Einkaufsentscheider in Unternehmen sind doch auch nur Menschen.
Ich bin überzeugt davon, dass sich B2B- von B2C-Marken in ihrer emotionalen Ansprache überhaupt nicht unterscheiden müssen. Schon weil jede Kaufentscheidung letztlich von Menschen getroffen wird. Übrigens denselben Menschen, die sich in ihrem Privatleben leidenschaftlich für bestimmte Marken begeistern können.

Liebe B2B-Marketer, macht bitte Schluss damit, euch als kastrierte Marketingprofis zweiter Klasse zu verstehen! Nutzt bitte alles, was ihr in Markentechnik gelernt habt und wendet es konsequent auf eure B2B-Marken an. Gebt eurer Marke eine eigenständige, vielleicht sogar polarisierende Persönlichkeit, ladet sie mit Emotionen auf, weckt die Leidenschaft für eure Produkte oder Dienstleistungen! Hört auf euch anzupassen, ständig auf den Wettbewerb zu schauen und ihn zu kopieren. Benchmarking und Best Practices sind im B2B häufig angewandte, aber hochgefährliche Techniken, die Anpasser- und Nachahmer-Marketing fördern. Alles für jeden sein zu wollen klingt zunächst vernünftig, endet aber meist darin, nichts für niemanden zu sein. Wer sich anpasst, wird unsichtbar. Hört auf, euer hart ausgehandeltes Marketingbudget in trockene, schwer verdauliche Produktkommunikation zu stecken! So weckt man sicher keine Leidenschaft.

Eine verkrampfte Hand als Visual für neuartige, ergonomische Pipetten sticht im Umfeld eines technischen Fachmediums sehr gut heraus und erzeugt Aufmerksamkeit (Bild: Sartorius / Laborpraxis.de)

Landing Page holt Interessenten mit emotionalem Statement (»Ich brauch ne Pause.«) ab und macht sofort ein Lead-Bait-Angebot (Kostenlose Test-Pipette). (Bild: Sartorius)

Eine 3-D-Animation des Leuchtturmprodukts weckt den Spieltrieb und macht das Produkt zum Hero. Sartorius verzichtet dabei weitgehend auf maximiertes Eigenlob, Superlative und Floskelbegriffe wie “innovativ”. Die grundlegende Aussage ist: “Wir haben dein Problem verstanden, und unsere Produktentwicklung fokussiert sich darauf, dieses Problem immer besser zu beseitigen.” Das schafft Vertrauen – und letztlich Kaufbereitschaft. (Bild: Sartorius)

Pipetten sind langweilige Werkzeuge für Laborratten.
Sollte man meinen. Und so sieht dann auch das Marketing für diese eher langweiligen Laborgeräte häufig aus. Sartorius hat das als Chance erkannt und dramatisiert in einer cleveren Kampagne die potenziellen Risiken der Pipetten ihrer Wettberber durch mangelnde Ergonomie. Laboranten sind wichtige Mitentscheider für den Einkauf von Laborgeräten und -material und fühlten sich wohl von dieser für die Branche ungewöhnlichen Kampagne angesprochen. Clevere Fachkampagnen müssen nicht viel kosten, wie dieses Beispiel zeigt.

Volvo Trucks hat inzwischen einen Namen gemacht für spektakuläre, fesselnde und hoch emotionalisierende Kampagnen, die sich an Einkaufsentscheider und Stakeholder richten.

Lastwagen sind doch auch nur große Autos.
Die Entscheidung von Einkäufern und Flottenmanagern zum Beispiel bei großen Speditionen basiert vermutlich auf rein objektiven Kriterien, sollte man vermuten. Trotzdem investiert Volvo Trucks seit Jahren konsequent erhebliche Mittel in die Produktion und die Streuung spektakulärer und hochemotionaler Kampagnen rund um ihre Trucks, die auch außerhalb der Trucker Community für große Augen und Aufsehen sorgen.

8 Erfolgstipps für wirkungsvolle B2B-Ansprache:

  1. Emotionen ansprechen.
    Einkaufsentscheider sind immer auch Menschen aus Fleisch und Blut. Und auch wenn die meisten es nicht zugeben wollen, schalten sie ihren Bauch doch niemals aus, wenn sie scheinbar mit dem Kopf entscheiden.

  2. Ungewöhnliche Gestaltung/Visuals wählen.
    Muss es denn immer der übergroße Produkt-Shot mit einem vermeintlich glücklichen Anwender sein? Sucht nach ungewöhnlichen Wegen, euren Punkt zu machen und den wichtigsten und relevantesten Nutzen eures Produkts zu dramatisieren.

  3. Sich von der Branche absetzen.
    Manchmal reicht es schon, einfach anders aufzutreten als der Rest der Branche, um sich abzusetzen. Überlasst doch Langeweile und Gewöhnlichkeit getrost euren Mitbewerbern!

  4. Hilfreichen, problemlösenden Content anbieten, statt nur verkaufen.
    »Give, give, give – take« oder »Denn Geben ist seliger als nehmen.« lauten die Motti im Content Marketing. Wer verkaufen will, muss zunächst einmal etwas geben. Im B2B-Kontext sind das zum Beispiel hilfreiche Informationen über die optimale Anwendung von Produkten oder – wie dieser Blog – kostenlose Tipps und Tricks rund um bestimmte Kompetenzthemen. Selbstlose Hilfe in Form von hilfreichem Content hilft Vertrauen und Sympathie aufzubauen und wird meist später mit Geschäft belohnt.

  5. Herausforderungen der Zielgruppe verstehen.
    Wer potenzielle Kunden mit seinen Marketingkampagnen ins Herz treffen möchte, muss wissen, wo seine Kunden der Schuh drückt. Nur wer versteht, welche Herausforderungen seine Anwender mit seinem Produkt oder seiner Dienstleistung meistern müssen (Customer Jobs) und welche potenziellen Bedenken im Raum stehen (Pain Points), der kann seine Marketingkommunikation gezielt und erfolgreich gestalten.

  6. Zum Kauf verführen statt drängen.
    »Kauf mich jetzt!« funktioniert auch im B2B-Marketing nicht. Professionelle Einkaufsentscheider wollen nicht überredet, sondern überzeugt werden. Rationale Argumente helfen, emotionale können den Ausschlag geben.

  7. Mut zu High Class.
    Wer seine Marke hochwertig positionieren will, zum Beispiel, um höhere Margen zu realisieren, muss auch hochwertig auftreten. Es gibt keinen vernünftigen Grund in der Umsetzungsqualität von B2B-Kampagnen andere, niedrigere Maßstäbe anzusetzen. B2C-Kampagnen setzen Standards auch für B2B-Kampagnen. Wenn Marketingmittel billig und hingerotzt wirken, sagt das potenziellen Kunden viel über die vermeintliche Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen.

  8. Sozial und interaktiv.
    Genau wie B2C-Kommunikation ist B2B-Marketing heute keine Einbahnstraße mehr. Moderne Kunden erwarten Dialogbereitschaft von ihren potenziellen Geschäftspartnern. Social Media ist längst kein reines B2C-Medium mehr, sondern auch ein effizientes Dialogangebot an B2B-Kunden.

Die Mitarbeiterin eines Auftraggebers beschrieb die Persönlichkeit Ihrer B2B-Marke als den »… angepassten Langweiler und Streber, der auf der Party immer die Chips nachfüllt und hinterher als einziger aufräumt, um dann ohne Mädchen alleine nach Hause zu gehen.« Würdet ihr mit dieser Strebermarke gerne Geschäfte machen, geschweige denn ein Bier trinken gehen?


Mehr zum Thema B2B-Marketing auch in folgenden Beiträgen hier im Blog:

»Warum immer mehr B2B-Marken ihre menschliche Seite entdecken.«

»Bauch sticht Kopf – Warum gerade B2B-Brands in Marke, Marketing und Storytelling investieren sollten.«

»Push oder Pull? Was ist die richtige Strategie in B2B-Märkten?«

»Zwischen Kopf und Bauch mitten ins Herz – wie viel Emotionalität verträgt euer B2B Marketing?«


Hört auf, Langeweile zu vermarkten!
Hört auf, genau das Gleiche zu kommunizieren, was eure Mitbewerber auch sagen! Hebt euch ab! Findet eure eigene einzigartige liebenswerte Markenpersönlichkeit und Positionierung. Weckt die Leidenschaft in euren Kunden. Erlaubt euch emotional zu werden in eurer Kommunikation. Schließlich verkauft ihr an Menschen aus Fleisch und Blut und nicht an langweilige Einkaufsentscheider, die ihre Persönlichkeit morgens im Büro an die Garderobe hängen.

Wie man (auch als B2B-Marke) seine Markenpersönlichkeit findet und definiert, beschreibe ich auch in meinem Post »Emotionale Nähe zu euren Kunden und Differenzierung mit der Markenpersönlichkeit.«


Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Markendesignagenturen helfe ich, ihre Auftraggeber besser und ganzheitlicher zu beraten und das wichtige strategische Fundament für die weiteren Designprojekte zu erarbeiten. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Alleine, als Markenstrategieberater oder im Team mit Experten aus seinem Netzwerk.