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Braucht eure Marke einen neuen Namen?

Braucht eure Marke einen neuen Namen?

Autor: Andreas Wiehrdt
München, den 01.03.2022
Titelbild: Foto von Austin Kirk auf Unsplash

Warum heißt Facebook jetzt plötzlich Meta, ist das nicht ein teurer Move und was lerne ich daraus für meine Marke?

Vor ein paar Jahren bekam ich einen Anruf von einem Münchner Start-up, mit der eigentlich irren Frage, ob wir in der Lage wären innerhalb von einer Woche einen neuen Namen und ein neues Branding für das SaaS-Start-up zu entwickeln. Whaaaaaat??

Der alte Name sei verbrannt. Ein anderes Unternehmen mit ähnlich klingendem Namen habe mit Klage gedroht und die wichtige Pressekonferenz zur Series-A-Finanzierung sei schon nächste Woche. Was soll ich sagen, der Auftrag klang verrückt, stellte aber eine reizvolle Herausforderung dar und wir haben performt.

Eine Woche später waren der neue Markenname und eine passende Domain registriert, das Corporate Design verabschiedet, die neue Website online und Presse-Give-Aways produziert. Und heute wächst das Unternehmen unaufhaltsam, hat bereits über 25 Millionen Investorengelder eingesammelt und keiner weint dem alten Namen eine Träne nach.

In diesem Beitrag soll es darum gehen, warum sich gerade Start-ups nach kurzer Zeit umbenennen und warum das manchmal nicht nur für Start-ups, sondern auch für große Marken sinnvoll sein kann. Ich möchte zeigen, wann eine Umbenennung sinnvoll und hilfreich sein kann, welche Risiken man eingehen muss und wie man ein solches Projekt am besten angeht.

Zunächst ein paar Beispiele für Marken, die sich umbenannt haben und dann weiter unten eine Liste von guten Gründen, Marken umzubenennen.

  • Die Reiseplattform GoEuro heißt seit Anfang 2019 Omio. Der alte Name habe der Expansion des Buchungssystems in außereuropäischen Ländern im Weg gestanden, heißt es dazu vom Berliner Unternehmen.

  • Das Spieleentwickler-Startup mit dem Namen Fluffy Fairy Games hat seine Namen im vergangenen Jahr zu Kolibri geändert. »Fluffy Fairy Games war ein witziger Name für die Anfangszeit, aber er war weit weg von dem, was wir machen«, erklärt Janosch Sadowski, einer der Mitgründer, gegenüber Gründerszene, die mir auch die unten genannten Umbenennungsbeispiele lieferten.

  • Mitte 2019 nannte sich der Flash-E-Tretroller um. Der neue Name Circ steht für die kreisförmigen Räder der Kickroller, die Schaltkreise im Smartphones und „circumnavigation“, also das „Umsegeln“ der Städte, und soll die Ziele des Unternehmens besser widerspiegeln. Inzwischen wurde Circ vom Mitbewerber Bird gekauft.

  • Ono Labs musste sich umbenennen, weil das Münchner Unternehmen Oonoo sich über den ähnlichen Namen beschwerte. Das Nahrungsergänzungsmittel-Startup heißt jetzt Her1.

  • Drive by hat sich 2018 zu Miles umbenannt. Auf Englisch bezeichnet “drive-by” die Schießerei aus einem Auto – wie das Unternehmen anscheinend erst verspätet mitbekam. Zugleich setzt der neue Name das Tarifkonzept in den Fokus: Die Abrechnung erfolgt nach gefahrenen Kilometern, nicht nach Zeit.

  • Die digitale Lernplattform Pluspeter heißt seit Mai 2019 Charly Education. Mit der Umbenennung möchte das Startup-Team ihren Mitgründer Karl »Charly« Bagusat ehren, der Ende März 2019 nach einem Verkehrsunfall verstorben ist.

  • Emmy, die roten Elektroroller, hießen Anfang 2017 noch eMio. Das Rebranding des Sharing-Startups sei aus rechtlichen Gründen notwendig gewesen: Die genauen Gründe sind nicht bekannt. Möglicherweise war Emmy zu namensgleich mit einem Wettbewerber.

  • Nach dem Zusammenschluss von Daimler und BMW wurde Mytaxi Anfang 2019 in Free Now umbenannt. Mit der App sind jetzt nicht nur Taxi-Fahrten buchbar, sondern auch Mietwagen und E-Tretroller.

  • Das Adtech-Unternehmen Fyber hieß ursprünglich Sponsorpay und nannte sich Mitte 2014 um. Das Rebranding soll ein »natürlicher Entwicklungsschritt« gewesen sein. Konkreter wurde das Unternehmen nicht.

Wie ihr seht, ist Marken-Umbenennung in der Start-up-Szene üblich und die (mehr oder weniger guten) Gründe hierfür sind vielfältig. Mehr dazu weiter unten im Beitrag.

Aber auch große, internationale, traditionelle Marken scheuen einen Namenswechsel nicht. So wurde aus Raider 1991 bekanntlich Twix und Treets heißen seit 1987 in Deutschland M&Ms. OpenBC heiß schon lange LinkedIn. Aus Weight Watchers wurde im Zuge einer Neupositionierung das etwas sperrig auszusprechende WW (Dabbelju-Dabbelju) und das Dänische Bettenlager wurde nach 37 Jahren umbenannt in JYSK, so wie das Unternehmen längst im restlichen Europa firmierte.

Wann ihr eure Marke umbenennen solltet:

  • Markenrechtliche Probleme Gerade bei Neugründungen von Marken können in der Eile Ähnlichkeiten zu bereits bestehenden, geschützten Marken übersehen worden sein. Wächst ein Unternehmen und dehnt es sein Einzugsgebiet aus, ruft das andere Unternehmen mit ähnlichen Marken auf den Plan, die eine Verletzung ihrer Markenrechte wittern und möglicherweise mit Klage drohen. Solche markenrechtlichen Prozesse können schnell teuer werden, gehen, wenn die Klage aus dem Ausland kommt, schnell in Geld und können sich über eine lange Zeit der Unsicherheit hinziehen. Hier ist es meist sinnvoll, schnell einzulenken und den eigenen Markennamen lieber entsprechend zu ändern, um schnell Ruhe und Sicherheit zu gewinnen. (Siehe auch den Case Ono Labs/Her1 oben.)

  • Umpositionierung Im Laufe ihrer Entwicklung entscheiden sich Unternehmen manchmal, die ursprüngliche Positionierung auszuweiten oder ganz zu verlassen, um sich weiteren, lukrativeren und neuen Geschäftsfeldern zuzuwenden. Dann kann der alte Name hinderlich sein, weil er neue Geschäftsfelder nicht wirklich adäquat repräsentiert. (Siehe auch den Case MyTaxi/Free Now oben).

  • Ausweitung des Vertriebsgebietes Wenn Marken expandieren und neue Sprach- oder Kulturräume erobern möchten, kann der ursprünglich gewählte Markenname ein Hindernis darstellen. So wurde der von Clairol angebotene dampfende Lockenstab »Mist Stick« zumindest in Deutschland kein Verkaufserfolg.

  • Fusion und Harmonisierung Wenn Marken fusionieren oder Unternehmen bisher in verschiedenen Ländern unter anderen Markennamen auftreten, kann eine Namensänderung oder -angleichung Sinn ergeben und langfristig eine Menge Kosten sparen. So können etwa Verpackungen und Marketingmittel harmonisiert werden (siehe das Beispiel Dänisches Bettenlager/JYSK oben).

  • Qualitative Mängel Gerade bei Start-ups, aber auch bei traditionellen Unternehmen, haben die Gründer in der Gründungsphase andere Prioritäten und investieren i. d. R. eher wenig Zeit und Geld in die Entwicklung des Markennamens und das Corporate Design. Später, beispielsweise wenn die erste wichtige Finanzierungsrunde ansteht und anspruchsvolle Investoren überzeugt werden wollen oder wenn das Unternehmen den nächsten wichtigen Wachstumsschritt machen möchte, kann der eilig entwickelte Markenname ein Hindernis darstellen. Spätestens jetzt sollten sich Markenprofis der Marke annehmen und sie professionell gestalten, bevor es zu spät ist und teuer wird.

  • Marken-Refresh Manchmal kommt der Punkt, wo eine alte eingeführte Marke einfach als rückschrittig, wenig attraktiv und mehr oder weniger verstaubt erlebt wird. Dann kann es Sinn stiften, der Marke mit einem Renaming und einer Auffrischung des Marken-Designs mehr Attraktivität zu verleihen und sie zeitgemäßer erscheinen zu lassen. Deswegen wurde beispielsweise aus dem guten alten Kentucky Fried Chicken moderner »KFC« und aus Federal Express »FedEx«.

Und nun?
Sollte einer der oben genannten Gründe auf eure Marke zutreffen und egal, ob die Umbenennung überhaupt eine Option oder sogar eine Notwendigkeit sein, gilt es zunächst die Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen und die potenziellen Kosten der Umstellung zu kalkulieren. Dann solltet ihr die Gründe und Ziele der Umbenennung in einem Briefing-Dokument formulieren. Erst dann geht es darum, einen neuen Namen zu finden, potenzielle Ähnlichkeiten auszuschließen, die besten Optionen zu testen und vieles mehr. Am besten versichert ihr euch der Unterstützung von Marken-, Naming- und Design-Profis, damit der neue Name möglichst lange hält und eure neue Marke lange erfolgreich wachsen kann.


Vertiefende Information zur professionellen Namensentwicklung für Marken, dem Naming, mit Checklisten und Anleitungen zur Namenssuche auch in meinen Beiträgen: »Bamlanivimab oder die Herausforderung bei Markennamen.« und »Schneller zum neuen Markennamen.« hier im Blog.


Renaming kann teuer werden!
Besonders bei etablierten Marken kann eine Umbenennung der Marke hohe Marketingkosten nach sich ziehen. Schließlich müssen Mitarbeiter, Stakeholder, Kunden und Markensympathisanten über die Namensänderung und deren Hintergründe aufgeklärt werden. I. d. R. müssen viele Marketing-Assets inklusive der Website und ggf. der Webshop an den neuen Namen und das neue Corporate Design angepasst werden. Sofern unter der Marke physische Produkte vertrieben werden, müssen Produktverpackungen angepasst werden. Bei filialisierten Unternehmen kommt dann noch die Umstellung der Außenwerbung sowie Anpassungen im Ladenbau hinzu. Je nach der Größe des Unternehmens, kann das eine sechsstellige Investition bedeuten.

Bei jungen und eher digitalen Marken ohne physische Produkte sind die Kosten einer Umbenennung hingegen in der Regel eher überschaubar.

Sofern die Umbenennung der Marke überhaupt als optional gesehen werden kann, sollte man sich unbedingt über die möglichen Folgekosten (Website, Werbeschilder, Fahrzeuge, Ladenbau, Packungen, Marketing etc.) klar werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird.


Werde ich Kunden verlieren?
Neben den Kosten ist das zweite Bedenken häufig, durch die Umbenennung möglicherweise Kunden zu verlieren. Kunden, die entweder mit dem neuen Namen nichts anfangen können oder die Veränderung zum Anlass nehmen, sich unter den verschiedenen Anbieter neu zu orientieren. Zu der Wahrscheinlichkeit Kunden durch ein Rebranding zu verlieren habe ich leider keine Untersuchungen gefunden. Meine Erfahrung ist, dass Kunden in der Regel relativ flexibel sind und nach einer anfänglichen Irritation den neuen Markennamen doch schnell lernen und annehmen. Wie schnell und reibungslos der Transfer vollzogen wird, hängt allerdings stark vom begleitenden Marketing und dem Marketingdruck oder -budget ab. Welcher LinkedIN-Netzwerker erinnert sich heute schon noch an den alten Markennamen OpenBC oder trauert diesem nach?


Zusammengefasst:

  • Es gibt viele stichhaltige Gründe, eine Marke umzubenennen und neu zu starten. Einige sind selbst gewählt und strategisch, andere kommen von außen auf euch zu.

  • Wenn ihr Chancen und Risiken sowie Kosten einer Namensumstellung gewissenhaft geprüft habt, schreibt ihr ein Briefing für den Naming- und Design-Prozess, in dem ihr die Ziele des Projekts formuliert.

  • Am besten versichert ihr euch der Unterstützung von Markenprofis, damit eure neue Marke nicht nur lange lebt, sondern, vor allem erfolgreich wächst.

  • I. d. R. müsst ihr keine Angst davor haben, Kunden zu verlieren, sofern ihr den Change-Prozess mit einer guten Marketingstrategie begleitet.


Wenn ihr in die Situation kommt, eure Marke ändern zu müssen oder euch entschlossen habt, das aus eigenem Antrieb zu tun, stehe ich euch sehr gerne beratend zur Seite, um sicherzustellen, dass dieses wichtige Unterfangen von Erfolg gekrönt ist.


Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Allein, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.


Wie ich’s mit dem Gendern halte:

Im Interesse einer besseren Lesbarkeit und aus Respekt vor unserer schönen deutschen Sprache habe ich mich dazu entschlossen, nicht ausdrücklich in geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen zu differenzieren. Die meist gewählte männliche Form schließt aber natürlich eine adäquate weibliche Form oder jede andere Form gleichberechtigt ein.