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Warum loyale Stammkunden gerade in der Krise unbezahlbar sind.

Photo by Mitchell Orr on Unsplash
München, den 13.11.2020

Warum treue Stammkunden gerade in der Krise unbezahlbar sind.

Neo-Bank-Marke boon. musste schon kurz nach dem erfolgreichen Start aufgeben. (Foto: boon.)

Wenn Marken sterben, ist das für Markenstrategen immer eine traurige Nachricht. Besonders, wenn man, wie im Fall der Neo-Bank BOON. selbst zu den Geburtshelfer einer vielversprechenden Marke zählen durfte. Hier waren es die kriminellen Machenschaften des Wirecard-Vorstandsvorsitzenden, die der aufblühenden Payment- und Banking-Marke den Garaus machten. Und ich fürchte, dass die Marke schon soweit beschädigt ist, dass sich auch niemand finden wird, der den Mut hätte, das Potenzial dieser Gen-Online-Marke für einen Neustart unter anderem Eigentümer zu nutzen. Aber auch viele weit etabliertere und größere Marken geraten hin und wieder in Schwierigkeiten und müssen Wege finden, Verluste zu minimieren und bestenfalls wieder zu alter Größe aufzuschließen. 

In diesem Beitrag möchte ich erläutern, warum es gerade in Krisenzeiten wichtig ist, seine loyalen Stammkunden an die Marke zu binden.

Das vernachlässigen loyaler Markenfans hat bei Kultmarke Harley-Davidson zu schweren Verlusten geführt. (Photo by Henry & Co. on Unsplash)

Nach einem Bericht im Wall Street Journal ist die Kultmarke Harley-Davidson schwer revitalisierungsbedürftig. Der frischgebackene CEO von Harley und Ex Puma-Chef Jochen Zeitz, nimmt demnach einen radikalen strategischen Wechsel vor, um die berühmte Marke für gut situierte Alt-Rocker wieder auf den Weg zu einem dauerhaften profitablen Wachstum zu bringen. Zeitz wirft dafür die von seinen Vorgängern gerbten Revitalisierungspläne über Bord. Deren Strategie bestand darin, mit kleineren, weniger leistungsstarken und dafür preiswerten Modellen neue, jüngere Kunden anzulocken. Das hat wohl nicht funktioniert. Die alten, loyalen Harley-Davidson-Kunden waren »not amused« und es gelang nicht, neue Kunden zu gewinnen. Um die alten, schweren und teuren Harleys aus dem Handel zu vertreiben, wurden sie sogar mit nie-da-gewesenen Rabatten verramscht, was dem exklusiven Image der Marke aus Milwaukie noch zusätzlich schadete.

»Love your loyalists. Adore your core.«
Wenn eine Marke in Schwierigkeiten ist, sollte man sich immer zuerst drauf konzentrieren, den loyalen Kernkundenstamm zu sichern. »Love your loyalists. Adore your core.« heißt die Devise, von der ich offen gestanden nicht weiß, vom wem sie stammt. Schätze den Kunden, den du schon hast, bevor du um Kunden buhlst, die du gerne hättest. Wenn eine Marke in Schwierigkeiten ist, sind es gerade die loyalen Kunden, die am ehesten verzeihen und das Kerngeschäft der Marke absichern helfen. Das schafft Zeit und sichert Ressourcen um den Turnaround  zu schaffen.

Wenn es nach Jochen Zeitz geht, wird sich Harley-Davidson künftig statt auf billige Leichtmotorräder mit kleinerem Hubraum von nun an wieder auf die großen, teuren Motorräder konzentrieren, die Harley ihre Biker-Credibility gaben. Zeitz Mission besteht darin, sich auf den Hauptkundenstamm von Harley zu konzentrieren und ihnen wieder genau das zu liefern, was sie an Harley lieben.

»Die sieben Stufen der Markenloyalität« ((C) 2020 BrandDoctor)

Revitalisierung beginnt beim Stammkunden.
Konzentration auf die Kernkunden ist eine kluge Strategie für jede Marke, die in Schwierigkeiten steckt. Das kurzfristige Ziel muss es immer sein, die Beziehung zu den wertvollsten und wichtigsten Kunden wiederherzustellen und zu reparieren. Und das bedeutet, zu bestätigen und zu stärken, was die Markenloyalisten an ihrer Marke mögen. Genau das tut Zeitz: Er nimmt seine Kernkunden und deren Bedürfnisse ernst.

Treue Kunden als zu selbstverständlich zu betrachten, ist oft der Todesstoß für Marken. Nur selten haben loyale Kunden keine Alternativen und die Gefahr der Entfremdung von ihrer Lieblingsmarke steht leider immer im Raum. 

Studien aus den 90-er Jahren (Frederick Reichheld für Bain Consulting) haben gezeigt, dass mit zunehmender Markentreue die Preissensibilität der Kunden abnimmt. Also die Bereitschaft, eine andere Marke aus dem Relevant Set zu kaufen, weil sie x Prozent günstiger anbietet. Er kam auch zu dem Schluss, dass bereits eine Verringerung potenzieller Überläufer (Loyalisierung) um 5 % die Gewinne einer Marke um 25 % und mehr steigern könnte.

Andere Untersuchungen zeigten, dass die Kosten für die Gewinnung eines neuen Kunden drei bis vier Mal so hoch sein können wie die Kosten für die Bindung eines Kunden. Untersuchungen des Risikokapitalunternehmens Kleiner Perkins aus 2018 bestätigen, dass die Kosten für die Neukundenakquise allgemein stetig steigen. Es kostet auf jeden Fall mehr, einen neuen Kunden zu akquirieren, als einen bestehenden Kunden an die Marke zu binden.

Der Verlust schon weniger Stammkunden kann für eine Marke einen überdurchschnittlich hohen Gewinnverlust bedeuten. Harley-Davidsons falsche Strategie, die Gewinnung von Neukunden über die Absicherung der loyalen Stammkunden zu stellen, war deswegen grundlegend falsch. Harley-Davidson litt während einer fünfjährigen Durststrecke unter negativen Gewinnen.

Die Pandemie hat viele Marken in Schieflage gebracht. Aber schon eine relativ kleine Gruppe von markentreuen Kunden kann eine Marke durch solche Krisen tragen. Markenartikelunternehmen mit einer großen Basis loyaler Stammkunden, wie Unilever, Nestlé und Kraft Foods, können offensichtlich auch unter Corona aktuell stabile Umsätze ausweisen.

Harley-Davidson CEO Jochen Zeitz besinnt sich auf die loyalen Stammkunden der Kultmarke. (Foto: Harley-Davidson)

Die »Pareto-Regel« für Kundenloyalität: 10% der Kunden sind für 50% des Gewinns verantwortlich.
Andere Untersuchungen zeigen, dass im Durchschnitt 10 % der Kunden für 50 % oder sogar mehr des Gewinns verantwortlich sind. Eine Studie, über die im Harvard-Business-Review (2014) berichtet wurde und bei der Nielsen-Scanner-Daten von 124 Konsumgütern verwendet wurden, zeigte, dass 10 % der Kunden einer Kategorie 30 bis 70 % des Umsatzes und einen noch höheren Gewinnanteil ausmachten. Beispielsweise zeigten die Daten der beliebten US-Käsemarke Kraft Velveeta, dass 10 Prozent der loyalsten Kunden der Marke 50 Prozent der Gewinne ausmachten.

Das Wall Street Journal stellte abschließend in seiner Analyse der Harley-Davidson-Strategie Folgendes fest: »Die Einführung neuer Modelle zog zu wenig neue Kunden an, und die neuen Modelle stehen wie Blei in den Showrooms der Händler. Elf neue Modelle waren im letzten Jahr zusammen für nur etwa 6 % des Einzelhandelsverkaufsvolumens verantwortlich, während die zehn beliebtesten alten Modelle mehr als zwei Drittel des Umsatzes generierten«.

Ein großer Harley-Davidson-Händler in den USA kommentierte die Strategiewende von Zeitz mit: »Die Marke kehrt endlich zu dem zurück, was wir schon immer waren«. Und Zeitz soll den Analysten gesagt haben: »Ich höre ständig, dass unsere Stammkunden altern. Nun, ich altere auch und habe immer mehr Lust, zu fahren

Das eine tun, das andere nicht lassen! 
Natürlich müssen Marken, um zu wachsen, auch neue Kunden anziehen. Aber Krisenzeiten verlangen ein Umdenken. Wenn eine Marke beginnt, Umsatz und Kunden zu verlieren, geht es zunächst darum, ein Ausbluten zu stoppen. Erst nachdem es gelungen ist, die loyale Kundenbasis zu festigen, kann sich die Unternehmensführung wieder auf Wachstumsstrategien konzentrieren. Aber auch dann bleibt die Sicherung der loyalen Stammkundenbasis wichtig. Das eine tun, das andere nicht lassen! Erfolgreiche Marken werben neue Kunden, während sie sich gleichzeitig loyale Kunden an die Marke binden. 

Wie im The Wall Street Journal berichtet, hat Harley-Davidson seine Lektion gelernt. Zeitz Mission, den Hauptkundenstamm zu sichern, ermöglichte Harley-Davidson erstmals seit langer Zeit eine attraktive Gewinnprognose für das letzte Quartal 2020. Die Konzentration auf die Kernkunden scheint sich auszuzahlen.


Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Alleine, als Markenstrategieberater oder im Team mit seinen Design-Kollegen bei mattweis (www.mattweis.de).