Haltung zeigen: Welchen Marken ich empfehle, politische Statements zu leisten und welchen nicht.

Autor: Andreas Wiehrdt
München, den 26.06.2024
Titelbild: DALL-E

Lesedauer: ca. 12 Minuten.

Kann es unter bestimmten Umständen hilfreich sein, wenn sich eine Marke politisch äußert oder sollte man lieber die Finger von politischen Äußerungen lassen? Was sind die Chancen, was die Risiken für meine Marke? Gibt es Marken, die sich politisch äußern dürfen und andere, für die es ein No-Go ist? Anlass für diese interessante Frage ist eine Analyse des Media-Intelligence-Unternehmens Unicepta, Köln, das die mediale Positionierung der 250 umsatzstärksten deutschen Unternehmen zu wichtigen gesellschaftlichen Debatten der vergangenen zwölf Monate untersucht hat. Dabei konnte sich die Deutsche Bahn AG qualitativ und quantitativ besonders wirksam gegen Rechtsextremismus positionieren. »Neben der Klarheit in der Kommunikation würdigt die Analyse eine besonders frühe Positionierung, die Dauerhaftigkeit des Engagements, den Mut zur klaren und damit auch angreifbaren Meinung sowie die konsequente Beweisführung der eigenen Positionierung mit konkreten Initiativen und der Relevanz für das eigene Business«, schreibt das Manager Magazin in einem Beitrag über die Studie. Welchen Effekt die effektive Positionierung gegen Rechts auf die Markenwahrnehmung, die Markensympathie und die Markenpräferenz der Deutsche Bahn AG hatte, lässt das Studiendesign wohl leider offen. Deswegen möchte ich mich diesem wichtigen und aktuellen Thema in diesem Beitrag von der strategischen Seite her nähern und Chancen, wie Risiken etwas tiefergehend beleuchten, um allen Markenverantwortlichen eine Entscheidungshilfe zu geben.


Hallo, ich bin der BrandDoctor und helfe Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. In diesem Blog für Markenverantwortliche und -entscheider schreibe ich regelmäßig über interessante Themen rund um Marke und Markenstrategie.



1. Worüber ich in diesem Beitrag schreibe:

Der Artikel beschreibt, dass in einer zunehmend politisierten Gesellschaft gerade von jüngeren Zielgruppen von Marken erwartet wird, dass sie zu gesellschaftlichen und politischen Themen Stellung beziehen. Social Media und das politische Bewusstsein der jüngeren Generationen verstärken diese Erwartung. Chancen und Risiken solcher politischen Statements werden hier im Artikel untersucht, wobei die Stärkung der Markenidentität und die Gefahr der Polarisierung hervorgehoben werden. Es wird betont, dass Marken authentisch und konsistent sein müssen, wenn sie Stellung beziehen, und es werden Beispiele und Best Practices für erfolgreiches politisches Engagement von Marken vorgestellt.

Inhaltsverzeichnis:

  1. Worüber ich in diesem Beitrag schreibe.

  2. Einführung in das Thema.

  3. Chancen für Marken, die Haltung zeigen und zu politischen Themen Stellung beziehen.

  4. Risiken für Marken, die Haltung zeigen und zu politischen Themen Stellung beziehen.

  5. Wann ist es sinnvoll, dass Marken öffentlich Position beziehen?

  6. Für welche Marken, politische Aussagen besonders sinnvoll und lohnend sein können.

  7. Marken, für die politische Aussagen eher ein No-Go sind.

  8. Best Practices für Marken, die sich entscheiden, politische Statements zu wagen.

  9. Literaturtipps zum Thema Haltung zeigen und politische Statements von Marken.

 

Too much to read? Dieser Artikel in weniger als 300 Wörtern zusammengefasst.

  • In einer zunehmend politisierten Gesellschaft wird von Marken erwartet, dass sie nicht nur Produkte und Dienstleistungen anbieten, sondern auch zu wichtigen gesellschaftlichen und politischen Themen Stellung beziehen. Diese Entwicklung wird durch die wachsende Bedeutung der sozialen Medien, sowie durch das ausgeprägte soziale Bewusstsein jüngerer Generationen vorangetrieben, die erwarten, dass Marken ihre Werte kommunizieren und aktiv vertreten.

  • Für Markenmanager ist diese Entwicklung besonders relevant, da sie die Wahrnehmung und Kommunikation der Marke beeinflusst. Politische Statements können eine Marke authentischer, sympathischer und relevanter machen, bergen aber auch Risiken wie die Abwendung von Teilen der Kundschaft oder das Risiko, als opportunistisch wahrgenommen zu werden. Mein Blogbeitrag zu diesem Thema untersucht die Chancen und Risiken politischer Statements für Marken und analysiert, wann und für welche Marken solche Statements sinnvoll sein können.

  • Marken können durch politische Statements ihre Identität und Authentizität stärken, tiefe Zielgruppenbindungen aufbauen, positive PR und Medienaufmerksamkeit erzielen, sich im Markt differenzieren und zum gesellschaftlichen Wandel beitragen. Beispiele wie Patagonia, Nike oder Ben & Jerry's zeigen, wie Marken von einer klaren Positionierung profitieren können.

  • Es gibt aber auch erhebliche Risiken. Politische Statements können Konsumenten verärgern, als opportunistisch wahrgenommen werden, interne Konflikte auslösen, zu negativer Kritik in den Medien führen und unabsehbare langfristige Folgen haben. Marken wie Gillette und Pepsi haben diese Risiken zu spüren bekommen.

  • Für Marken ist es sinnvoll, öffentlich Stellung zu beziehen, wenn dies im Einklang mit ihren Kernwerten und ihrer Mission steht, die Erwartungen der Zielgruppe berücksichtigt und von aktueller gesellschaftlicher Relevanz ist. Haltungs-Marken wie Patagonia und Nike profitieren von dieser Strategie, während neutrale, konservative oder B2B-Marken vorsichtiger sein sollten.

  • Zu den Best Practices gehören Authentizität, Transparenz, konsistente Kommunikation, Einbeziehung der Zielgruppe, interne Abstimmung, konkrete Maßnahmen, Risikomanagement und Partnerschaften. Marken sollten sorgfältig abwägen, ob politische Aussagen ihre Glaubwürdigkeit stärken und langfristig zu einer positiven Markenwahrnehmung beitragen.

 

2. Einführung in das Thema

In einer zunehmend politisierten Gesellschaft wird von Marken mehr erwartet, als nur Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Viele Konsumenten fordern heute, dass Marken Stellung beziehen, Haltung zeigen und sich auch zu wichtigen gesellschaftlichen und politischen Themen äußern. Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe. Zum einen haben sich soziale Medien zu Plattformen entwickelt, auf denen Unternehmen direkt mit ihren Zielgruppen interagieren und ihre Meinungen teilen können. Zum anderen haben die jüngeren Generationen, insbesondere die Millennials und die Generation Z, ein starkes Bewusstsein für gesellschaftliche und politische Themen entwickelt und erwarten von den Marken, die sie unterstützen, dass diese ihre Werte teilen und aktiv vertreten.

Für Markenmanager ist diese Entwicklung besonders relevant, da sie die Art und Weise verändert, wie Marken wahrgenommen werden und wie sie mit ihren Zielgruppen kommunizieren. Ein politisches Statement kann eine Marke authentischer und relevanter machen, birgt aber auch Risiken wie die Abwendung von Teilen der Kundschaft oder das Risiko, als opportunistisch wahrgenommen zu werden. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die Chancen und Risiken politischer Statements für Marken und untersuchen, wann und für welche Marken solche Statements sinnvoll sein können. Warum jede Marke und jedes Unternehmen seine wichtigsten Werte definieren und Marken Haltung zu Themen, die ihren Zielgruppen wichtig sind, zeigen sollten, lest ihr in meinen Beitragen »Wie Marken in Krisen durch Haltung gewinnen.«, »Haltung zeigen kann Marken nützen.«, »Sollen Marken Stellung beziehen zu gesellschaftlich relevanten Themen?« und »Was Marken bei dem Purpose-Gedanken falsch verstehen.« hier im Blog.



3. Chancen für Marken, die Haltung zeigen und zu politischen Themen Stellung beziehen:

  1. Markenidentität und Authentizität stärken
    Wenn Marken zu politischen Themen Stellung beziehen, können sie ihre Kernwerte und Überzeugungen anschaulich kommunizieren. Das stärkt die Markenidentität und erhöht die Authentizität. Marken, die ihre Überzeugungen glaubwürdig und konsequent vertreten, wirken authentischer und gewinnen eher das Vertrauen der Konsumenten.

    Beispiel: Patagonia engagiert sich seit Jahren im Umwelt- und Klimaschutz. Kampagnen und Aktionen wie der Slogan »We’re in business to save our home planet« unterstreichen die langjährige Haltung und lassen die Marke authentischer wirken.

  2. Tiefe Zielgruppenbindung aufbauen
    Durch das Engagement für bestimmte politische oder gesellschaftliche Themen können Marken eine tiefere Bindung zu bestimmten Zielgruppen mit ähnlichen politischen Ansichten und Überzeugungen aufbauen. Dies kann zu einer stärkeren Loyalität und Bindung zur Marke führen.

    Beispiel: Nike gewann durch die Unterstützung von Colin Kaepernick und die »Dream Crazy«-Kampagne, die soziale Gerechtigkeit in den USA thematisierte, viele Anhänger unter jüngeren und sozial engagierten Konsumenten und People of Color.

  3. Positive PR und Medienaufmerksamkeit
    Mutige politische Statements können zu einer positiven Berichterstattung in den Medien führen. Dies erhöht die Sichtbarkeit und Reichweite der Marke (Earned Media) und kann neue Kunden anziehen, die die Haltung der Marke unterstützen.

    Beispiel: Ben & Jerry's erhält regelmäßig mediale Aufmerksamkeit für seine klare Positionierung zu Themen der sozialen Gerechtigkeit, was die Sichtbarkeit und Reputation der Marke erhöht.

  4. Differenzierung am Markt
    In einem hart umkämpften Markt kann das Engagement für politische Themen eine Möglichkeit zur Differenzierung bieten. Marken, die zu wichtigen gesellschaftlich relevanten Themen klar Stellung beziehen, heben sich von Mitbewerbern ab, die neutral bleiben oder eine klare Position vermeiden.

    Beispiel: The Body Shop hebt sich durch seine Kampagnen für Tierrechte und gegen Tierversuche deutlich von vielen anderen Kosmetikmarken ab.

  5. Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel
    Indem Marken zu politischen Themen Stellung beziehen, können sie die Gesellschaft positiv beeinflussen und zu Veränderungen beitragen, gerade wenn sie ihre reichweitenstarken Owned-, Earned- und Paid Media-Kanäle für solche politischen Botschaften nutzen. Dies kann (zumindest bei den Sympathisanten) langfristig das Image und die Reputation der Marke stärken.

    Beispiel: Marken wie TOMS, die sich für soziale Projekte engagieren, tragen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme bei und positionieren sich als verantwortungsbewusstes Unternehmen.

Öffentliches politisches Engagement bietet Marken zahlreiche Chancen, von der Stärkung der Markenidentität über den Aufbau einer tiefen Zielgruppenbindung bis hin zur Differenzierung im Markt und dem positiven Beitrag zu gesellschaftlichem Wandel. Marken, die ihre Überzeugungen authentisch und konsequent vertreten, können langfristig von diesen Chancen profitieren und sich als verantwortungsbewusste und relevante Akteure in der Gesellschaft positionieren.


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4. Risiken für Marken, die Haltung zeigen und zu politischen Themen Stellung beziehen

  1. Risiko der Polarisierung.
    Wenn eine Marke zu einem gesellschaftlich kontroversen Thema Stellung bezieht, läuft sie Gefahr, bestimmte Kundengruppen zu verärgern und zu verlieren. Konsumenten, die anderer Meinung sind, könnten sich abwenden und ihre Unterstützung oder Käufe einstellen.

    Beispiel: Die Werbekampagne von Gillette zum Thema »toxische Männlichkeit« löste gemischte Reaktionen aus. Während viele Männer und Frauen die Botschaft unterstützten, fühlten sich andere (hauptsächlich Männer) angegriffen und boykottierten die Marke.

  2. Wahrnehmung von Opportunismus
    Wenn eine Marke ein politisches Statement abgibt, das nicht zu ihrem bisherigen Handeln oder Image passt, kann dies als opportunistisch oder heuchlerisch wahrgenommen werden. Konsumenten könnten vermuten, dass die Aussage nur aus Marketinggründen gemacht wurde, um von einem Trend zu profitieren.

    Beispiel: Pepsi wurde stark kritisiert, als es eine Werbung mit Kendall Jenner veröffentlichte, die Protestbewegungen als Marketinginstrument darstellte. Viele empfanden die Werbung als unsensibel und fehlgeleitet.

  3. Spannungen innerhalb des Unternehmens
    Öffentliche politische Aussagen des Unternehmens oder der Marke können auch zu Spannungen innerhalb eines Unternehmens führen, insbesondere wenn die Mitarbeitenden abweichende politische Ansichten haben. Dies kann sich negativ auf die Unternehmenskultur und die Mitarbeiterzufriedenheit auswirken

    Unternehmen, die Statements zu politischen oder sozialen Themen abgeben, müssen sicherstellen, dass die Mehrheit der Mitarbeitenden diese Ansichten und Haltungen teilen und sich damit identifizieren können, um interne Konflikte zu vermeiden.

  4. Negative Berichterstattung.
    Statements von Unternehmen oder Marken zu politischen oder sozialen Themen können zu negativer Berichterstattung in den Medien führen, speziell wenn sie kontrovers aufgenommen werden. Dies kann die Reputation der Marke nachhaltig schädigen.

    Beispiel: Starbucks sah sich mit Kritik konfrontiert, als es seine Kampagne »Race Together« startete, die zum Dialog über Rassismus anregen sollte. Die Kampagne wurde allgemein als schlecht durchdacht und naiv kritisiert.

  5. Unvorhersehbare Folgen.
    Die Folgen einer politischen Aussage können unvorhersehbar sein und sich langfristig negativ auf die Marke auswirken. Eine einmal getroffene Aussage ist nur schwer rückgängig zu machen und kann die Marke noch Jahre später verfolgen.

    Eine Marke, die sich zu einem bestimmten politischen Thema äußert, kann feststellen, dass sich die öffentliche Meinung im Laufe der Zeit ändert und die ursprüngliche Aussage später in einem anderen Licht erscheint.


Während politische Aussagen von Marken durchaus Chancen bieten können, birgt diese Strategie leider auch erhebliche Risiken. Markenverantwortliche müssen sorgfältig abwägen, ob und wie sie sich zu politischen Themen äußern. Entscheidend ist, dass solche Statements authentisch sind und im Einklang mit den Werten und der Identität der Marke stehen, um die genannten Risiken zu minimieren.

 

Fritz Kola veröffentlichte zur Bundestagswahl ein klares Statement, wählen zu gehen, seine Stimme aber nicht einer rechten Partei zu geben. (Foto: Fritz Kola/Concrete Candy)


5. Wann ist es sinnvoll, dass Marken öffentlich Position beziehen?

  1. Wenn Kernwerte und Mission der Marke mit einer politischen Aussage übereinstimmen.
    Wenn das politische Thema in direktem Zusammenhang mit den Werten und der Mission der Marke steht, kann es sinnvoll sein, Stellung zu beziehen. Dies zeigt, dass die Marke authentisch ist und ihre Werte aktiv lebt.

    Beispiel: Umwelt- und Naturschutz sind wichtige Markenwerte und letztlich auch Teil der Mission von Patagonia. Daher ist es richtig und empfehlenswert, wenn sich die Outdoormarke auch konsequent zu diesen Themen politisch und gesellschaftlich engagiert.

  2. Wenn die Kernzielgruppe der Marke eine klare Haltung zu einem politischen oder gesellschaftlichen Thema hat.
    Wenn die Hauptzielgruppe eine starke Meinung zu einem bestimmten politischen oder gesellschaftlichen Thema hat und von »ihrer« Marke eine entsprechende Haltung erwartet, wird ein entsprechendes Statement die Bindung an die Marke stärken. Jüngere Generationen wie Millennials und die Generation Z schätzen es, wenn Marken aktiv Stellung zu gesellschaftlichen Themen beziehen.

    Beispiel: Nike unterstützte den Footballspieler Colin Kaepernick bei seinem Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt und kam damit bei der überwiegend jungen, sozial bewussten und schwarzen Zielgruppen gut an.

  3. Wenn ein Thema aktuell hohe gesellschaftliche Relevanz besitzt.
    Wenn ein Thema gerade stark im öffentlichen Diskurs ist und die Marke die Möglichkeit sieht, positiv Einfluss zu nehmen oder ihre Position zu verdeutlichen, kann ein Engagement sinnvoll sein.

    Unternehmen, die während der COVID-19-Pandemie ihre Unterstützung für das Gesundheitspersonal und den Kampf gegen das Virus zeigten, erhielten durchweg positive Resonanz.

  4. Wenn sich Marken, über soziale Gerechtigkeit definieren. Marken, die sich aktiv für soziale Gerechtigkeit einsetzen, profitieren davon, wenn sie ihre Positionen zu politischen Themen auch klar kommunizieren. Dies stärkt ihr Image als verantwortungsbewusste und engagierte Akteure.

    Beispiel: Ben & Jerry's hat sich zu vielen Themen der sozialen Gerechtigkeit von Rassismus bis Klimawandel geäußert und damit seine Position als sozial verantwortliche Marke gefestigt.

  5. Wenn sich die Marke über lange Zeit konsistent zu einem bestimmten Thema äußert.
    Wenn eine Marke in ihrem politischen Engagement langfristig konsistent ist, wirkt sie glaubwürdiger. Ein kontinuierliches Engagement zu einem Thema zeigt, dass es der Marke ernst ist und es nicht nur um kurzfristige PR geht.

    Beispiel: Auch die Outdoor-Marke The North Face engagiert sich langfristig für Umwelt- und Klimaschutz und unterstützt regelmäßig entsprechende Kampagnen und Initiativen.


Öffentlich Haltung zu zeigen, kann für Marken sinnvoll sein, wenn es authentisch und im Einklang mit den eigenen Werten und den Erwartungen der Zielgruppe geschieht. Marken sollten sorgfältig abwägen, ob das politische Statement ihre Glaubwürdigkeit stärkt und langfristig zu einer positiven Markenwahrnehmung beiträgt. Ein durchdachtes und konsistentes Engagement kann die Marke in den Augen der Konsumenten authentischer und relevanter machen.

 

(Abbildung: Fisherman's Friend Deutschland)


6. Für welche Marken, politische Aussagen besonders sinnvoll und lohnend sein können:

  1. Lifestyle-Marken.

    • Definition: Marken, die sich stark über Werte, Lebensstile und Ideologien definieren.

    • Beispiel: Outdoor- und Sportmarken wie Patagonia, The North Face oder Nike, die eine klare Wertehaltung insbesondere in Bezug auf Umwelt- und soziale Gerechtigkeitsthemen haben.

    • Warum es Sinn macht: Diese Marken können ihre Authentizität und Glaubwürdigkeit stärken, indem sie politische Aussagen treffen, die mit ihren Kernwerten übereinstimmen. Ihre Zielgruppen erwarten häufig eine klare Positionierung zu relevanten Themen.

  2. Nachhaltige und sozial-engagierte Unternehmen.

    • Definition: Marken, die auf Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und ethisches Verhalten setzen.

    • Beispiel: The Body Shop, das sich seit Langem für Tierrechte und Umweltfragen einsetzt.

    • Warum es Sinn macht: Diese Marken engagieren sich bereits stark für gesellschaftliche Belange und ihre Kunden erwarten von ihnen, dass sie weiterhin aktiv Stellung beziehen und sich für ihre Werte einsetzen.

  3. Neue und aufstrebende Marken.

    • Definition: Start-ups und junge Unternehmen, die durch kompromisslose Haltung oder polarisierende Statements Aufmerksamkeit erzielen und sich am Markt von etablierten Mitbewerbern differenzieren und etablieren möchten.

    • Beispiel: Start-ups im Bereich nachhaltige Mode oder Technologie, die sich gegen Fast Fashion oder für Datenschutz einsetzen.

    • Warum es Sinn macht: Diese Marken können sich durch ein klares politisches Statement von etablierten Konkurrenten abheben und eine loyale Anhängerschaft aufbauen.




7. Marken, für die politische Aussagen eher ein No-Go sind:

  1. Mainstream-Marken.

    • Definition: Marken, die ein breites, heterogenes Publikum ansprechen und die sich daher eher neutral halten, wenn es um polarisierende Themen handelt.

    • Beispiel: Lebensmittel- oder Haushaltsmarken ohne politische oder soziale Werteagenda, wie z.B. große Supermarktketten oder Hersteller von Grundnahrungsmitteln.

    • Warum ist es ein No-Go: Diese Marken laufen immer Gefahr, weite Teile ihrer heterogenen Kundschaft zu verärgern. Politische Aussagen können in Teilen dieser Zielgruppen zu Sympathieverlusten und sogar Boykotten führen.

  2. Traditionelle und konservative Marken.

    • Definition: Marken mit eher älteren, konservativen Zielgruppen und/oder langer Tradition.

    • Beispiel: Alteingesessene Luxusmarken oder traditionelle Familienunternehmen, die seit Generationen bestehen und sich auf eine bestimmte demografische, eher konservative Zielgruppe konzentrieren.

    • Warum ist es ein No-Go: Diese Marken haben oft einen treuen Kundenstamm, den politische Stellungnahmen oder progressive soziale Aktivitäten eher verstören oder sogar abstoßen würden.

  3. B2B-Marken

    • Definition: Unternehmen, deren Kunden hauptsächlich andere Unternehmen sind und deren Geschäft stark von langfristigen Beziehungen und Verträgen abhängt.

    • Beispiel: Industriezulieferer oder IT-Dienstleister.

    • Warum es nicht geht: Eindeutige politische Aussagen können Geschäftsbeziehungen gefährden, insbesondere wenn die Geschäftskunden ein breites Spektrum politischer Ansichten vertreten. B2B-Marken müssen oft eine neutrale Position einnehmen, um Konflikte zu vermeiden.


Die Entscheidung, ob eine Marke politische Statements abgeben soll, hängt stark von der Identität der Marke, ihrer Zielgruppe und ihren Kernwerten ab. Marken, die bereits für bestimmte Werte stehen oder eine stark engagierte Zielgruppe haben, können von solchen Aussagen profitieren. Marken, die ein breites Publikum ansprechen oder in konservativen Märkten agieren, sollten vorsichtig sein und die möglichen Risiken sorgfältig abwägen.



8. Best Practices für Marken, die sich entscheiden, politische Statements zu wagen:

  1. Authentisch, konsistent und ehrlich auftreten.
    Marken sollten nur zu Themen Stellung beziehen, die wirklich mit ihren Werten ihrer Mission und vor allem ihrem Handeln übereinstimmen. Konsumentinnen und Konsumenten erkennen schnell, wenn ein Statement nur als PR- oder Marketingmaßnahme dient.

    Beispiel: Patagonia, das sich seit Jahrzehnten konsequent für den Umweltschutz einsetzt und dieses Engagement auch authentisch lebt.


  2. Transparent sein.
    Marken sollten klar und transparent über ihre Beweggründe und Maßnahmen hinter einem politischen Statement informieren.

    Beispiel: Ben & Jerry's, das laufend detaillierte Erklärungen und Hintergründe zu seinem sozialen und politischen Engagement liefert.


  3. Konsistentes Engagement.
    Ein politisches oder soziales Statement sollte keine einmalige Sache sein. Es ist wichtig, die Kommunikation und das Engagement für ausgewählte Themen oder Haltungen langfristig und konsequent fortzusetzen.

    Beispiel: Nike, die kontinuierlich ihr Eintreten für soziale Gerechtigkeit und Inklusion durch Kampagnen und Aktionen zeigen.


  4. Zielgruppe dialogisch einbeziehen.
    Marken sollten auch oder gerade bei politischen Themen den Dialog mit ihren Konsumenten suchen und deren Meinungen und Feedback ernst nehmen. So kann eine tiefere Bindung und gegenseitiges Verständnis entstehen.

    Beispiel: Starbucks, das im Rahmen seiner »Race Together«-Kampagne versuchte, Diskussionen über Rassismus und soziale Ungleichheit unter ihren Kunden und Markensympathisanten anzuregen.


  5. Mitarbeiter einbeziehen.
    Bevor ein politisches Statement abgegeben wird, sollten die Mitarbeiter informiert und bestenfalls einbezogen werden. Die (auch öffentliche) Unterstützung politischer oder sozialer Statements durch Mitarbeitende des Unternehmens erhöht die Glaubwürdigkeit.

    Unternehmen können etwa interne Workshops und Diskussionsrunden organisieren, um sicherzustellen, dass die Belegschaft hinter dem öffentlichen Engagement steht oder zumindest die Beweggründe dahinter versteht.


  6. Nicht nur reden, sondern auch handeln.
    Politische oder soziale Statements sollten durch konkrete Maßnahmen und Aktionen untermauert werden. Dies zeigt, dass die Marke es ernst meint und bereit ist, tatsächlich etwas zu verändern.

    Beispiel: The Body Shop, das neben öffentlichen Statements auch aktiv Maßnahmen zum Tier- und Umweltschutz durchführt.


  7. Risiken managen.
    Marken sollten sich frühzeitig auf mögliche Gegenreaktionen und öffentliche Kritik vorbereiten und einen Plan für das Krisenmanagement haben. Es gilt negative Szenarien durchzuspielen und rechtzeitig entsprechende Strategien zur Schadensbegrenzung parat zu haben.


  8. Partnerschaften und Allianzen eingehen.
    Marken können die Glaubwürdigkeit ihrer politischen Statements erhöhen, indem sie mit etablierten Organisationen und NGOs zusammenarbeiten, die ihre Werte teilen und ihre Initiativen unterstützen.


Die Entscheidung, politische Statements abzugeben, erfordert sorgfältige Abwägung und strategische Planung. Marken sollten sicherstellen, dass ihre Botschaften authentisch, transparent und konsistent sind und durch konkrete Maßnahmen unterstützt werden. Durch die Einbeziehung von Zielgruppen und Mitarbeitern sowie die Zusammenarbeit mit relevanten Organisationen können Marken ihre Glaubwürdigkeit stärken und gleichzeitig potenzielle Risiken besser managen.


Mehr darüber, wie es gelingt, euren Purpose in das Unternehmen zu tragen, auch in meinem Beitrag »Euren Purpose in der Unternehmenskultur verankern. Die größten Herausforderungen und wie ihr sie umschifft.« hier im Blog.




9. Literaturtipps zum Thema Haltung zeigen und politische Statements von Marken:

Hier sind einige Literaturtipps, die sich mit dem Thema "Haltung zeigen als Marke" und politische Statements beschäftigen:

Abbildungen: Amazon

  1. »Brand Activism: From Purpose to Action« von Christian Sarkar und Philip Kotler
    Dieses Buch erforscht, wie Marken zu Aktivisten werden können und welche Schritte notwendig sind, um authentische und wirkungsvolle Statements abzugeben.

  2. »The Brand Bubble: The Looming Crisis in Brand Value and How to Avoid It« von John Gerzema und Edward Lebar
    Hier wird untersucht, wie Markenwert entsteht und erhalten bleibt, und warum Marken, die eine klare Haltung einnehmen, besser abschneiden können.

  3. »Purpose: The Starting Point of Great Companies« von Nikos Mourkogiannis
    Dieses Buch beleuchtet, wie ein starker Unternehmenszweck den Erfolg von Unternehmen antreiben kann und warum dieser Zweck oft politische und soziale Dimensionen umfasst.

  4. »Do Good: Embracing Brand Citizenship to Fuel Both Purpose and Profit« von Anne Bahr Thompson
    Hier wird beschrieben, wie Marken durch ethisches Verhalten und soziale Verantwortung nicht nur Gutes tun, sondern auch ihren wirtschaftlichen Erfolg steigern können.


Diese Literaturtipps bieten eine umfassende Grundlage, um das Thema vertieft zu verstehen und fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, wie und wann Marken politische Statements abgeben sollten.


Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Allein, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.


Wie ich’s mit dem Gendern halte:

Im Interesse einer besseren Lesbarkeit und aus Respekt vor unserer schönen deutschen Sprache habe ich mich dazu entschlossen, in der Regel das generische Maskulinum verwendet. Die Texte beziehen sich aber immer auf Angehörige aller Geschlechter.

Andreas Wiehrdt

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