Laddering - Die nächste Stufe zu attraktiveren Nutzenversprechen.
München, den 19 11.2019
[Titelfoto von Ricardo Cruz auf Unsplash]
Joe Romsbeck, der damalige Chef von Palmolive hatte eine geniale Idee. Es soll kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen sein, als er sich vor seine Vertriebsmannschaft stellte und die Parole ausgab: »Ab morgen verkaufen wir nicht mehr nur einfach Seife, sondern Schönheit und Selbstvertrauen« Bähm! Der Grundstein für schier grenzenloses Wachstum in einem Commodity Market war gelegt. Bereits in den frühen 60er Jahren war Palmolive die meistverkaufte Seife der Welt und die Marke mit inzwischen über 50 Produkten bis heute ein wichtiger Grundpfeiler des Colgate-Pamolive Konzerns.
In diesem Beitrag möchte ich euch mit Laddering ein in Vergessenheit geratenes Tool vorstellen mit dem ihr ganz einfach eine feine Auswahl für eure Zielgruppe relevanter Nutzenversprechen (neudeutsch Value Proposition) entwickeln könnt. Im nächsten Schritt könnt ihr dann entscheiden, welche dieser attraktiven Nutzenversprechen ihr für euer Marketing nutzen möchtet.
Ein kleine Eingebung mit großer Wirkung.
Palmolive Seife wurde 1898 eingeführt und zunächst über ihre besonderen Produktmerkmale und Ingredienzen verkauft; den damals exotisch klingenden Palm- und Olivenölen sowie Kakaobutter. Als dann Seife spätestens nach dem zweiten Weltkrieg zu einem Low-Interest-Produkt wurde, kam die rettende Erkenntnis des weitsichtigen Chefs der BJ Johnson Soap Company gerade Recht. War er doch seiner Zeit und seinen Marketingkollegen anderer Unternehmen weit voraus und in der Lage, die Perspektive zu wechseln. Statt – wie die meisten seiner zeitgenössischen Marketing-Kollegen Produkte über immer abenteuerlichere Produktattribute und Inhaltsstoffe zu vermarkten (die älteren unter den Lesern werden sich noch an die Jod-S11-Körnchen der Vogelfuttermarke Trill erinnern), suchte er nach den eigentlichen, den verborgenen Kaufmotiven seiner damals überwiegend weiblichen Kundschaft. Ein Frauenversteher sozusagen! Und er fand heraus, dass seine Seife nicht nur säuberte, sondern – durch die speziellen Öle – vor allem pflegte. Und, wer gepflegt aussieht, fühlt sich attraktiv und ist selbstbewusst. Und deswegen wurde Folgendes konsequent entschieden: Statt weiter auf Produktmerkmalen, wie Olivenöl und Kakaobutter herum zu werben, das Marketing von da an auf den wahren Nutzen der Seife zu konzentrieren: natürliche Schönheit, Attraktivität und Selbstbewusstsein. Mehr als 30 Jahre später führte eine ähnliche Überlegung dazu, dass die Unilever Marke DOVE innerhalb kurzer Zeit nie gekannte Wachstumsraten realisierte.
Warum nicht das Nutzenversprechen der eigenen Marke von Zeit zu Zeit hinterfragen?
Das sollte euch doch eigentlich Ansporn sein, das Nutzenversprechen eurer Brand einmal kritisch zu hinterfragen. Viel zu viele Marken überlassen es in ihrer Marketingkommunikation, den Kunden selbst die Transferleistung zu erbringen, welchen Nutzen bestimmte Produktattribute ihnen wohl bieten könnten und bleiben damit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Aber wie finde ich heraus, welche Nutzen und vor allem emotionale Nutzen meine Kunden mit bestimmten Attributen meines Produktes oder meiner Dienstleistung verbinden?
Und hier kommt Laddering ins Spiel.
Laddering dient dazu, Marketingstrategien zu entwickeln, die auf die wahren Kaufmotive der Konsumenten ausgerichtet sind und nicht lediglich auf die objektiven Produkteigenschaften, die möglicherweise für den Konsumenten nur bedingt Auslöser für seine Kaufentscheidung sind.
Eigentlich ist Laddering eine tiefenpsychologische Interview-Methode in der Marktforschung, bei der durch gezieltes Nachfragen die Zusammenhänge zwischen Produktmerkmalen und deren subjektiv bedeutsamen Nutzen aufgedeckt werden soll. Aber Laddering lässt sich auch wunderbar nutzen, um sich selbst stufenweise nach oben zu arbeiten, von den Merkmalen eines Produktes oder einer Dienstleistung bis hin zu den oft versteckten Nutzen und Werten, die sich für die Kunden daraus ergeben. Das machen wir bei mattweis zum Beispiel im Rahmen von Marken-Workshops gemeinsam mit den Teilnehmern.
Der Begriff Laddering wurde übrigens vom Marktforscher Thomas J. Reynolds und Marketingprofessor Jonathan Gutman in den 1980er Jahren etabliert und basiert auf ihrer Means-End-Chain-Theorie.
Wikipedia schreibt: »Mit dem Begriff „Laddering“ beschreibt man eine sogenannte „kognitive Leiter“, die der Interviewer mit dem Befragten (zum Beispiel dem Konsumenten eines bestimmten Produktes) immer höher steigt. Dies geschieht, indem er Fragen zu einem Produkt als Fragekette in der Form „Warum ist das für Sie wichtig?“ stellt, um den subjektiven Wert herauszufinden, den ein Produktnutzen für den Konsumenten hat. So kann beispielsweise herausgefunden werden, warum ein Konsument ein Produkt stets in einer kleineren Verpackungseinheit kauft, obwohl das Produkt auch in Großpackungen verfügbar ist und dadurch preislich günstiger wäre. Für den Konsumenten überwiegt jedoch der Nutzen, den er durch die kleinere Verpackungseinheit erzielt (z. B.: Produkt verdirbt nicht so schnell) den Preisnachteil.«
Besonders in Märkten, wo die Produkte oder Dienstleistungen der Mitbewerber vergleichbare Merkmale besitzen, ist ein »Upgrade« zu höheren Nutzen und Werterfüllung oft der Königsweg zu Umsatzwachstum und höherer Wertschöpfung. Wenn zum Beispiel Rosenmehl statt, wie die meisten Mitbewerber lediglich Mehl, plötzlich den Nutzen eines gelungenen Kuchens oder sogar den Wert einer guten Mutter vermittelt, dann könnte das der Grund rund sein, dass ein Pfund Rosenmehl für das bis zu Dreifache eine No-Name-Produktes über den Kassen-Scanner geht.
Aber, wie funktioniert denn dieses Laddering in der Praxis?
Es beginnt damit, dass ihr möglichst alle relevanten Attribute eures Produkts oder eurer Dienstleistung am unteren Ende eines Blattes oder Flip-Charts nebeneinander schreibt. Attribute, die euch von den Mitbewerbern abgrenzen haben hier Priorität.
Dann stellt ihr euch selbst die Frage, welchen Nutzen eure potenziellen Kunden wohl aus jedem dieser Attribute ziehen. So gelangt ihr zu den objektiven Nutzenversprechen (Objective Benefits). Die schreibt ihr in eine Ebene über die Attribute. Wen ihr mögt, könnt ihr Attribute und Nutzenversprechen auch miteinander durch Linien verknüpfen.
Mit den Fragen: » Und was hat unser Kunde/unsere Kundin denn wohl davon?« oder: »Warum ist das denn wohl von Bedeutung für unsere Kunde/unsere Kundinnen?« solltet ihr von den objektiven Nutzenversprechen wieder eine Ebene höher kommen; zu den eher subjektiven Nutzenversprechen. Die kommen wieder eine Ebene über die objektiven Nutzenversprechen.
Mit immer denselben Fragen arbeitet ihr euch langsam an die Spitze des Flipcharts, über die emotionalen Nutzen bis hinauf zur Erfüllung/Unterstützung wichtiger Werte eurer Zielgruppe. Wie das aussehen kann, zeigen die Beispiel-Charts.
Wenn ihr das dann alles ein wenig geordnet und priorisiert habt, verfügt ihr über eine gute Basis für die wichtige Entscheidung, welches Nutzenversprechen ihr dann künftig in eurer Marketingkommunikation nutzen möchtet.
Laddering – Es lohnt sich!
Es lohnt sich auf jeden Fall, mal darüber nachzudenken, welchen höheren Nutzen euer Produkt oder eure Dienstleistung künftig versprechen könnte, um sich ein Stück weit von den Mitbewerbern abzuheben und über einen emotionalen Mehrwert höhere Wertschöpfung und Wachstum zu erzeugen.
Der Königsweg dazu sind tiefenpsychologische Interviews nach der Laddering-Methode mit eurer Zielgruppe. Falls euch die Investition in diese empirische Maßnahme aktuell zu hoch erscheint, ist eine Laddering-Sesssion im Rahmen eines Workshops eine gute Alternative. Bei beidem unterstützen wir gerne.
Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.
Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Alleine, als Markenstrategieberater oder im Team mit seinen Design-Kollegen bei mattweis (www.mattweis.de).