Unternehmen, Marke, Produkt, was ist eigentlich der Unterschied?       

Autor: Andreas Wiehrdt
München, den 15.03.2022
Titelbild: Foto von Tingey Injury Law Firm auf Unsplash


Unternehmen, Marke, Produkt, was ist eigentlich der Unterschied?

Wenn ich mit Auftraggebern an einem neuen Leitbild arbeite, also an Vision, Mission, Purpose, Werten etc., kommt meist recht schnell die sinnvolle Frage, ob wir das Leitbild jetzt für das Unternehmen oder die Marke entwickeln. Das kann ich nicht pauschal beantworten. Schließlich kommt es darauf an, wie das Unternehmen aufgestellt ist.

In diesem Beitrag möchte ich mich mit der Frage beschäftigen, wie sich Unternehmen, Marke und Produkt abgrenzen lassen. Wann wird ein Unternehmen zur Marke und wann ein Produkt? Was ist der Unterschied zwischen den dreien? Und warum ist das für Markenverantwortliche überhaupt wichtig?

»Ein Produkt ist etwas, das der Kunde kauft, um es zu nutzen oder zu konsumieren. Die Marke ist etwas, das der Kunde kauft, um etwas zu erleben.«
— unbekannt

Natürlich wissen wir alle grundsätzlich, was ein Unternehmen ist, was ein Produkt oder eine Dienstleistung und was eine Marke ausmacht. Falls nicht, habe ich hier im Beitrag entsprechende Definitionen anzubieten. Aber manchmal ist es gar nicht so einfach, zwischen den dreien zu differenzieren. Ist Becks jetzt ein Unternehmen, eine Marke oder auch ein Produkt? »Bitte ein Bit!« lässt doch eigentlich darauf schließen, dass ein Bit ein Produkt, also in diesem Fall ein Bier ist, oder? Bit respektive Bitburger ist aber auch auf jeden Fall eine Marke. Und die Bitburger Brauerei ein Unternehmen. »Hast du mal ein Tempo für mich?« verlangt auf jeden Fall nach einem Produkt, in diesem Fall ein Papiertaschentuch. Möglicherweise ist dem Verschnupften die Marke dabei herzlich egal? Ein Zewa wird die triefende Nase sicher auch trocknen können.

Aber jetzt erst einmal die oben versprochenen Definitionen, die ihr gerne überspringen könnt, anschließend die Beschreibung der wichtigsten Unterschiede und dann eine hoffentlich hilfreiche Erläuterung, wie einzelne Unternehmen mit dem Thema umgehen.

Definition von Unternehmen:
Ein Unternehmen ist eine wirtschaftlich-finanzielle und rechtliche Einheit, die den Zweck hat, durch den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen Erlöse zu erzielen. Häufig werden diese Produkte und Dienstleistungen im eigenen Betrieb hergestellt. Handelsunternehmen kaufen und verkaufen Produkte, die sie nicht selbst herstellen. Markenartikelunternehmen verkaufen ihre Produkte und Dienstleistungen unter einer oder mehreren Marken, die ihnen in der Regel gehören.

Definition von Produkt:
Das Produkt ist eine Ware oder eine Dienstleistung oder eine Kombination aus beidem (auch Lösung genannt), die von den Unternehmen hergestellt und auf dem Markt zum Verkauf an den Endverbraucher (B2C) oder gewerbliche Nutzer (B2B) bereitgestellt wird. Es kann in physischer oder nicht-physischer Form vorliegen.

Produkte haben eine bestimmte Lebensdauer. Nach Ablauf dieses Zeitraums gilt das Produkt als veraltet. Dann muss das Produkt modifiziert, optimiert oder sogar ganz neu erfunden werden, um für potenzielle Kunden attraktiv und nützlich zu bleiben.

Produkte lassen sich mehr oder weniger leicht kopieren und so konkurrieren häufig mehrere fast identische Produkte mit gleicher Ausstattung und identischem Nutzen um die Gunst der Kunden (Beispiel: Treibstoff, Zigaretten, Bier, Zucker etc.).

Definition von Marke:
Der Markt wird von Millionen von Produkten überschwemmt. Der Name, die Symbolik, das Produkt, die Dienstleistung, das Logo, die Persönlichkeit oder jedes andere Merkmal, das ein Produkt von der Vielzahl ähnlicher Produkte unterscheidet, bildet die Marke. Marken helfen Kunden dabei, präferierte Angebote schnell herauszufiltern und geben ihnen die Sicherheit eines gleichbleibend befriedigenden Nutzererlebnisses.

Ein Produkt, das einen Namen und einen visuellen Auftritt hat, an den wir uns erinnern und mit dem wir uns identifizieren können, ist eine Marke. Eine Marke kann man weder sehen, noch anfassen; man kann sie nur spüren und erleben. Eine Marke wird nicht an einem Tag aufgebaut; es dauert oft viele Jahre, bis sie Bekanntheit erlangt und das Vertrauen der Kunden gewonnen hat.

Eine Marke ist eine Kombination aus drei Dingen, nämlich Versprechen, Wunscherfüllung und Emotionen.

Die Marke ist eine Kombination aus Erinnerungen, Erlebnissen, sensuellen Eindrücken und Erwartungen in den Köpfen der Kunden.

Die rechtlich schützbare Identität einer Marke wird als Warenzeichen bezeichnet.

Hier die wichtigsten Unterschiede zwischen Unternehmen, Marke und Produkt im Überblick (Chart: BrandDoctor).

»Companies make products and consumers make brands.«
— unbekannt

Hauptunterschiede zwischen Unternehmen, Produkt und Marke
Dazu findet ihr einen Überblick in dem hier oben links gezeigten Chart. Die wichtigsten Punkte aber nochmals zusammengefasst:

  • Produkte sind Gegenstände, die für bestimmte Kunden einen begehrenswerten Nutzen bieten. Gleiches gilt auch für Dienstleistungen. Marken hingegen sind ein Versprechen und ein Bündel an Erinnerungen, visuellen und sensorischen Eindrücken sowie Ein- und Vorstellungen, die ausschließlich in den Köpfen der Kunden existieren. Unternehmen entwickeln diese Produkte, Dienstleistungen und Marken oder stellen sie her und vertreiben sie. Dabei kann die Wahrnehmung der Marke mit der des Unternehmens verschmelzen. Dann spricht man von einer Unternehmensmarke.

  • Währen Produkte und Dienstleistungen relativ einfach nachzumachen sind, stellt die Marke einen Mehrwert und ein Unterscheidungsmerkmal dar, das sehr viel schwerer zu kopieren ist.

  • Während das Unternehmen Produkte und Dienstleistungen herstellt, entsteht die Marke in den Köpfen der Kunden, selbstverständlich auf Basis entsprechender Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen des Unternehmens.

  • Produkte und Dienstleistungen erfüllen einen bestimmten Zweck, die Marke schafft Mehrwert, u. a. durch Sicherheit, Vertrautheit, emotionale Belohnung, soziales Ansehen und Geltung.

  • Während man zumindest Produkte anfassen kann, ist die Marke nur erlebbar.


Ich tippe diesen Text auf einem MacBook Pro. Das ist das Produkt. Die Marke ist Apple, das Unternehmen auch. Hier unterscheidet man nicht zwischen Marke und Unternehmen. Deren Identitäten, Haltungen, Versprechen, Purpose und Werte sind perfekt verschmolzen.

Vorhin war ich bei Starbucks (Marke) und habe einen Kaffee geholt (Produkt). Was kaum ein Kunde weiß, die Marke Starbucks gehört mehreren Unternehmen. So werden insbesondere die Starbucks Läden in Deutschland von dem spanischen AmRest-Konzern betrieben, während die Markenrechte für alle Konsum- und Gastronomieprodukte dem Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé gehören. Hier führen Marke und Unternehmen völlig separate Leben.

Apropos Nestlé, in Zeiten als der heute weltgrößte Nahrungsmittelkonzern weltweit negative Schlagzeilen machte (vorgeblich dubiose Marketing- und Vertriebsmethoden, Kinderarbeit, unfairer Handel, Preisabsprachen, Tierversuche, Regenwaldzerstörung u. s. w.) war es eher unerwünscht, Kunden darauf aufmerksam zu machen, dass Marken wie Beispielsweise Nespresso, S. Pellegrino, Mövenpick, Alete, Buitoni, Wagner Pizza etc. alle dem Schweizer Konzern gehören. Inzwischen ist man etwas selbstbewusster und gibt dem Nesté-Logo einen prominenteren Platz auf den Etiketten der unterschiedlichen Marken.

Gilt das Leitbild nun für das Unternehmen oder die Marke?
Aber noch einmal zurück zu der eingangs erwähnten Frage danach, ob ein Leitbild oder eine Markenpersönlichkeit nun für das Unternehmen oder die Marke entwickelt werden soll. Das hängt von der Konstellation der Marke(n) im Unternehmen ab.

In eher großen Konzernen gibt es auch eher eine Vielzahl unterschiedlicher Marken (Beispiel Nestlé) und in vielen Fällen ist der Konzern selbst auch eine Marke. Dann ergibt es Sinn, die Markenidentität und das Leitbild für die Konzernmarke und jede weitere Marke individuell zu entwickeln. Idealerweise teilen aber die verschiedenen Marken einzelne Werte oder den Purpose des Konzerns oder sind die Antwort auf eine gemeinsame Vision oder Mission.

In vielen Unternehmen sind Unternehmensmarke und Produktmarke miteinander verschmolzen. Die Kunden unterscheiden hier gar nicht zwischen dem Unternehmen und der Marke oder dem Produkt. Ein VW kommt von VW, Punkt. Dass die Volkswagen AG auch weitere Marken, wie beispielsweise Skoda, Audi, Lamborghini, Bentley, Porsche und Ducati besitzt, ist den meisten VW-Kunden sicher gar nicht präsent. Auch, wenn die einzelnen Marken der Volkswagen AG recht unterschiedliche Markenpersönlichkeiten besitzen, zeigen sie doch auch Gemeinsamkeiten, wie etwa einen hohen Anspruch an Qualität, Innovation, Sicherheit und Technologie, der wiederum in der Konzernmarke (Volkswagen AG) verankert ist.

In Monomarken-Unternehmen (Beispiel Apple) ist es sinnvoll, Leitbild und Identität von Unternehmen und Marke miteinander abzugleichen, hier also keinen Unterschied zu machen.

Key Take-away:

  • Je nach der Markenarchitektur eines Unternehmens (House of Brands, Branded House oder Monomarkenarchitektur) kann es sinnvoll sein, das Leitbild und die Persönlichkeit des Unternehmens zu differenzieren (Multi-Brands) oder eng aufeinander abzustimmen (Mono-Brand).

  • Selbst bei Unternehmen mit verschiedenen eigenständigen Marken im Portfolio ist anzuraten, darauf zu achten, dass sich das Leitbild des Unternehmens und das der einzelnen Marken nicht gegenseitig aufheben, sondern unterstützen.


Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Allein, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.


Wie ich’s mit dem Gendern halte:

Im Interesse einer besseren Lesbarkeit und aus Respekt vor unserer schönen deutschen Sprache habe ich mich dazu entschlossen, nicht ausdrücklich in geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen zu differenzieren. Die meist gewählte männliche Form schließt aber natürlich eine adäquate weibliche Form oder jede andere Form gleichberechtigt ein.

Andreas Wiehrdt

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