Wie die Identitäten eurer Marken gekidnappt werden und was ihr dagegen unternehmen könnt.

Autor: Andreas Wiehrdt
München, den 05.04.2022
Titelbild: iStock

Wie die Identitäten eurer Marken gekidnappt werden und was ihr dagegen unternehmen könnt.

Viele Markenverantwortliche haben es gar nicht mehr in der Hand, welche Identität ihre Marke annimmt oder wie ihre Marke tatsächlich wahrgenommen wird. Andere Marktteilnehmer reißen das Ruder an sich und versuchen zunehmend Einfluss auf die Markenwahrnehmung zu nehmen.

Wer sind diese Marken-Kidnapper und was ist ihre Motivation, und welche Forderungen stellen sie?

In diesem Beitrag geht es darum, wie Markenverantwortliche damit umgehen, immer häufiger die Bedeutungshoheit über ihre Marken zu verlieren. Ich erkläre, wer oder was für dieses Phänomen verantwortlich ist und warum diese zunächst ungewohnte Situation auch ihre Vorteile hat.

Für Markenverantwortliche wird es immer schwerer, die Hoheit über die Identität ihrer Marken zu behalten. Wie eine Marke wirklich wahrgenommen wird, ist nämlich zunehmend abhängig davon, welches Bild der Marke sich die Menschen da draußen selbst kreieren. Und das leider unabhängig davon, wie sich die Marke gerne selbst positionieren und inszenieren würde.

Es herrscht Bedeutungsanarchie da draußen im Markt und Unternehmen sind nicht länger Herr ihrer eigenen Marken.

Die Verbraucher haben längst das Ruder übernommen und machen mit der Marke buchstäblich, was sie wollen. Um es mit Pipi Langstrumpf zu formulieren: »Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.« Hier einfach »Welt« gegen »Marke« ersetzen!

Es wird Zeit, diese horizontale Bedeutungsrevolution in eure Markenkommunikationsstrategie mit einzubeziehen.

In den großen Tagen der Hosenträger-tragenden »Mad Men« (und noch einige Jahrzehnte darüber hinaus), lag die Kommunikationshoheit der Megamarken in den Händen einiger weniger großer internationaler Agentur-Networks. Ogilvy, Leo Burnett, Young & Rubicam, Doyle Dane Bernbach, J. Walter Thompson kreierten mit Länder- und Kultur-übergreifenden Milliarden-Dollar-Kampagnen ein konsistentes Bild der Marken. Oder versuchten es wenigstens. Die Markeninhaber könnten präzise bestimmen, wie ihre Marke wahrgenommen werden und wann und auf welchen Kanälen deren Inszenierung stattfinden sollte. Alles, was es dazu benötigte, war eine clevere Kampagne, einen erfahrenen Mediaplaner und viel, viel Budget.

Aber diese goldene Zeit ist längst vorbei. Die heutige Medienlandschaft ist hoch-fragmentiert und viele heute für die Markenbildung maßgebliche Kanäle längst nicht mehr in der Hand der Networks, sondern in den Händen der Konsumenten.

Viele Kanäle, in denen sich die Menschen über die Welt informieren – und darüber, was sie kaufen sollen – sind nicht mehr mit Mediageld käuflich und beherrschbar. Das Markenbild lässt sich längst nicht mehr von oben nach unten über vertikale Kampagnen steuern. Die Verbraucher (früher von der Industrie zynisch synonym für die Herde der willenlosen Abnehmer genutzt) haben sich emanzipiert. Sie entscheiden heute weitgehend selbst, wie und wo sie sich in den Marken- und Präferenzbildungsprozess einschalten. Das Bild der Marke entsteht heute von unten nach oben oder horizontal, weil die Menschen selbst über ihre Markenerfahrungen kommunizieren und mit den sozialen Medien mächtige und reichweitenstarke Werkzeuge dazu an die Hand bekommen.

Aber wie lässt sich das Bild der eigenen Marke heute noch steuern? Müssen wir unsere Marken wirklich kampflos in die Hände der Verbraucher legen, unsere Finger kreuzen und hoffen?

Natürlich nicht. Die Lösung ist ein Dreiklang aus (1.) Zuhören, (2.) Lernen und (3.) Handeln.

Zuhören
Viele Unternehmen machen den Fehler, sich gar nicht darum zu kümmern, was Kunden in den sozialen Medien über ihre Marke zu sagen haben. Sie unterschätzen die Macht von Kundenbewertungen und Word-of-Mouth-Kommunikation, die mit den sozialen Netzwerken eine neue Super-Power erhalten haben. Ignorante Unternehmen werden erst aufmerksam, wenn der Shitstorm schon Orkanstärke erreicht hat und es zu spät ist.

Social Listening heißt die Lösung. Moderne Analyse-Tools helfen den Unternehmen, den Überblick zu behalten, über das, was über die eigene Marke in den Netzwerken gesagt und geschrieben wird. Ich bin weiß Gott kein Experte darin, höre aber von Auftraggebern, wie hilfreich solche Tools dabei sein können, frühzeitig auf mögliche Probleme aufmerksam zu werden und geeignete Maßnahmen ergreifen zu können.


Lernen
Zuhören, wie Menschen über die eigene Marke denken allein, wäre zu kurz gesprungen. Es braucht eine lernende Organisation, die offen ist für die Kritik und die Anregungen der Kunden. Die dankbar ist, für das, was die Menschen da draußen für die Marke tun, indem sie über Ihre Nutzenerfahrungen, Vorurteile und Kauferlebnisse berichten, selbst Gebrauchsanweisungen geben oder Hacks teilen und der Marke dadurch Relevanz, Aktualität und Bekanntheit verleihen.


Handeln
Das bedeutet zum einen auf Botschaften zur Marke in den sozialen Netzwerken antworten. Falsches richtig stellen. Markenenttäuschungen bedauern und Hilfe oder Abhilfe anbieten. Nutzer vernetzen. Enttäuschte trösten. Ja, und auch dafür gibt es Tools.


Heute erlangt eine Marke Bedeutung auf dem Markt, wenn es ihr gelingt, sich in der Kultur und im Leben der Kunden zu verankern. Starke Marken bedeuten ihren Nutzern etwas; sie bieten Identifikation, die Menschen benötigen, um ihrem Leben mehr Sinn zu geben. Solche Marke leben Werte, die ihren Kunden wichtig sind. Sie müssen gar keine Angst davor haben, die Hoheit über das eigene Narrativ zu verlieren. Die Fans der Marke sorgen mit eigenem Storytelling dafür, dass von unten nach oben und auf vielfältigen Kanälen ein nachhaltig attraktives und werthaltiges Markenbild entsteht.

Mehr darüber, was solche Love Brands ausmacht und wie man die eigene Marke in Richtung Love Brand entwickelt auch in meinen Beiträgen: »Wie man zur Love Brand wird.« oder »Holy Brands - Wenn Marken Heilige werden.«


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Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Allein, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.


Wie ich’s mit dem Gendern halte:

Im Interesse einer besseren Lesbarkeit und aus Respekt vor unserer schönen deutschen Sprache habe ich mich dazu entschlossen, in der Regel das generische Maskulinum verwendet. Die Texte beziehen sich aber immer auf Angehörige aller Geschlechter.

Andreas Wiehrdt

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