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Sollen Marken Stellung beziehen zu gesellschaftlich relevanten Themen?

Sollen Marken Stellung beziehen zu gesellschaftlich relevanten Themen?

Photo by Maria Oswalt on Unsplash
München, den 18.12.2020

Welche Haltung nimmt eure Marke gegenüber Themen ein, die eine wesentliche Bedeutung für eure Kunden haben?

Immer mehr Kunden erwarten heute, dass Unternehmen und Marken Haltung haben und zeigen. Die inzwischen jährlich durchgeführte Studie der international agierenden PR-Beratung Edelmann »Earned Brand 2018« zeigt, dass bereits 67 Prozent der befragten Verbraucher eine Marke aufgrund ihrer Haltung zu einem wichtigen sozialen oder politischen Thema kaufen oder boykottieren. 85 Prozent der Teilnehmer würden eine Marke sogar boykottieren, wenn sie sich stumm stellt bei einem Thema, zu dem die Marke eigentlich Haltung zeigen sollte.

Deswegen muss die Haltung einer Marke eine wichtige, unverzichtbare Komponente der Marken-DNA sein.

In diesem Beitrag erkläre ich, warum es immer wichtiger wird für Unternehmen und Marken Haltung zu zeigen, auch um Kunden emotional zu binden und Markenpräferenz zu steigern. Ich zeige an Beispielen, wie andere Marken Haltung erfolgreich einsetzen und beschreibe die drei konkreten Schritte, mit denen es gelingt, die Haltung der eigenen Marke zu formulieren.

Haltung wozu?
Aber zu welchen Themen soll eine Marke Stellung beziehen?

Um die Haltung einer Marke zu bestimmen, geht es zunächst einmal darum, zu definieren, in welchen Themenbereichen die Marke überhaupt kompetent Haltung zeigen sollte. Nicht jede Marke kann glaubwürdig zu jedem gesellschaftlich relevanten Thema Stellung beziehen. Für Marken mit eher breitem Zielgruppenspektrum liegt das Suchfeld für Haltung in langfristig relevanten gesellschaftlichen oder Umweltthemen, wie zum Beispiel Gleichstellung der Geschlechter, Migration, Kindeswohl, Antidiskriminierung oder Reduzierung des CO2-Ausstoß, Fair Trade, regionale Produktion und nachhaltige Lieferketten. Marken mit eher klar umgrenzten Zielgruppen dürfen auch eine Haltung einnehmen, mit der zwar ihre Zielgruppe sympathisiert, aber die Mehrheit der Menschen vielleicht eher ablehnt. Beispiel Harley Davidson, deren klare Haltung zu fast grenzenloser Freiheit nicht unbedingt von jedem konservativen, obrigkeitshörigen Normalbürger geteilt wird. Die Haltung einer Marke muss authentisch sein.

Mehr dazu, wie man die Haltung seiner Marke bestimmt weiter unten.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung glaubt, dass Marken echte Veränderungen bewirken können.

66% trauen es Marken zu, die Öffentlichkeit für wichtige Themen sensibilisieren zu können.

Marken sollte auch mit Non-Profit-Organisationen kooperieren, um ihrer Haltung Ausdruck zu verleihen.

Haltung wirkt dann besonders glaubwürdig, wenn der Haltungskontext Einfluss auf die Kunden der Marke hat.

Nicht jeder Haltungskontext eignet sich gleich gut, um als Marke Stellung zu beziehen.

In drei Schritten zur Haltung deiner Marke.

Wer Stellung bezieht, braucht Mut.
Haltungen haben die unangenehme Eigenschaft zu polarisieren. Was der eine für unbedingt richtig und notwendig hält, betrachtet der andere als völlig falsch und abartig. Marken, die ihre Haltung artikulieren nehmen in Kauf, dass eine Gruppe von Menschen diese Haltung möglicherweise nicht teilen oder sogar ablehnen und in der Konsequenz die Marke boykottieren. Solange sich diese Menschen ausserhalb der Kernzielgruppe einer Marke befinden, ist das nicht weiter schlimm, solange es genügend Menschen innerhalb der Zielgruppe gibt, die mit der Haltung sympathisieren. Nachdem sich NIKE in den USA auf die Seite von Ex-Football-Star Kaeperneck und der stellten, machten im US-Fernsehen Bilder die Runde, die Menschen zeigten, wie sie NIKE-Sneaker auf offener Straße verbrannten, als Zeichen ihrer Ablehnung. (Mehr darüber in meinem Post »Haltung zeigen kann Marken nützen.«. »In a world where everyone is shouting for attention, brands that are brave enough to be themselves, stand up for what they believe in and can tell their stories well, are the brands that win. It’s better to have 500 people that love your brand, than thousands that like your brand.«, sagt Andrew Dobbie, Gründer der Dubliner Markenagentur MadeBrave und spricht mir damit aus dem Herzen.

Haltung braucht Handlung. Haltung wird erst durch konkrete Handlungen sichtbar und glaubwürdig. »Walk the talk!« oder lasst euren Worten Taten folgen, ist der wichtigste Tipp an alle Markenentscheider, die das Thema Haltung für ihre Marke nachhaltig angehen möchten. Ohne konkrete, nach außen sichtbare Aktivitäten und Maßnahmen bleibt jede Haltung nur ein Lippenbekenntnis und schadet der Marke letztlich mehr, als sie einbringt. Mehr darüber, wie man konkrete Aktivitäten im Sinne seiner Haltung definiert weiter unten.

Haltung oder Point of View ist eines von insgesamt 8 Modulen meines Markenmodells Brand Gestalt, mit dessen Hilfe man die DNA der eigenen Marke, die Markenplattform erarbeiten kann. Mehr zum Brand-Gestalt-Markenmodell in meinem Post »Mit neuem Markenbaukasten Marken schneller entwickeln und optimieren.«

Sehr gerne helfe ich Unternehmern, Gründern oder Markenverantwortlichen dabei, die Haltung ihrer Marke gemeinsam zu erarbeiten und geeignete Aktivitäten und Kanäle zu definieren, diese Haltung glaubwürdig zu beweisen.

Wie findet man die richtige Haltung einer Marke?
In meinem Workshop-Modulen zum Thema Point Of View führe ich die Teilnehmer durch folgende drei Schritte:

  1. Haltungskontext definieren

  2. Überzeugung formulieren

  3. Aktivitäten definieren

1. Haltungskontext
Unter Haltungskontext verstehe ich den Raum, das Gebiet, in dem die Marke Haltung beziehen möchte. Ist der Marke ein bestimmter gesellschaftspolitischer Kontext wichtig wie beispielsweise die Gleichstellung der Geschlechter, das Wohl und die Rechte von Kindern oder Rassismus, geht es der Marke um wirtschaftspolitische Themen wie fairer Handel, freier Wettbewerb oder die Förderung lokaler Produkte und Produzenten oder soll es um umweltpolitische (Erderwärmung, Senkung des CO2-Ausstoßes etc.) oder bildungspolitische Themen gehen (Bildungsreform, Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund etc.)?

Ist das Leitbild der Marke mit Purpose, Vision, Mission und Werten erst einmal definiert (siehe meinen Post »Haltung zeigen kann Marken nützen.«), ergibt sich der Kontext für die authentische Haltung der Marke fast von alleine. Schließlich ist Haltung immer durch Werte und Moral geprägt. Hat man, wie beispielsweise die US-amerikanische Outdoor-Bekleidungsmarke Patagonia seinen Purpose wie folgt definiert: »We’re in business to save our home planet.«, liegt der Haltungskontext Umweltschutz nahe. Hat man sich auf die Fahne geschrieben, stets das Beste aus jedem Mann herauszuholen, wie die Männerpflegemarke Gilette ist der Haltungskontext Männerthemen ....

Eigentlich selbsterklärend, aber in diesem Zusammenhang zu erwähnen: Relevanz. Natürlich muss der gewählte Haltungskontext hohe Relevanz für die Kernzielgruppe besitzen. Verdreht beispielsweise das Gros eurer Zielgruppe die Augen, wenn sie den Namen Greta Thunberg oder Friday for Future hören, hätte eure Marke ein Problem mit einem Haltungskontext Umweltpolitik. Hier wäre es vielleicht besser, über einen Haltungskontext wie beispielsweise freier Wettbewerb o. Ä. nachzudenken.

2. Überzeugung formulieren
Innerhalb jeden Haltungskontext gibt es mindestens zwei oft komplett diametral gelagerte Überzeugungen. Hier muss die Marke im zweiten Schritt entscheiden, welcher Überzeugung sie sich anschließen möchte. War es beispielsweise richtig, dass Football-Star Kaepernick und viele seiner meist afroamerikanischen Teamkollegen zur amerikanischen Nationalhymne knieten (NIKEs Überzeugung) oder traten sie damit eine patriotische Tradition mit Füßen und verletzten die Gefühle der Mehrheit der Amerikaner (Uncle Joe's Überzeugung). Mehr zur oben zitierten Haltungskampagne von NIKE in meinem Beitrag »Haltung zeigen kann Marken nützen.«. Procter & Gambles Männerpflegemarke Gilette beschloss mitten in der #meetoo-Debatte in 2019 Haltung zu zeigen. Man änderte nicht nur die Tagline von »The Best a Man Can Get« zu »The Best Men Can Be.«, sondern startete eine groß angelegte Haltungskampagne zu dem Thema, die in konservativen Männerkreisen durchaus polarisieren dürfte.

3. Aktivitäten definieren.
Sind Haltungskontext und Überzeugung definiert, gilt es konkrete Handlungen und Aktivitäten der Marke zu definieren, die den menschen beweisen, dass die Marke es ernst meint mit ihrer Haltung und den Worten taten folgen lässt; »Walk the talk!«, wie die Amerikaner das treffend formulieren.

Wer auf Nummer Sicher gehen will, kann auch vorab testen, ob der gewählte Haltungskontext, die formulierte Überzeugung und die geplanten Aktivitäten zum Konzept er Marke passen und von der Zielgruppe als richtig, wichtig und authentisch bewertet werden. Meine Consumer-Insights-Spezialistin Antje-Ann Sturm von Sturm.Planning hilft gerne dabei, solche wichtigen Fragen abzutesten.

Auf jeden Fall aber muss detailliert geprüft werden, ob die tatsächlichen Entscheidungen das tatsächliche Verhalten im Unternehmen mit der formulierten Haltung korrespondieren. So würde beispielsweise eine Haltungskampagne des deutschen Textildiscounters KIK zum Thema Fair Trade sicher nach hinten losgehen, spätestens wenn investigative Journalisten die eher unmenschlichen Arbeitsbedingungen vieler asiatischen Zulieferer aufdecken.

Aktivitäten können eher strategisch und langfristig angelegt sein (Ein Prozent des weltweiten Umsatzes investiert Patagonia in die Unterstützung von Umweltaktivisten und ihren Projekten) oder auch taktischer, reaktiver Natur sein (Nike reagiert auf Kaepernick's Suspendierung aus der NFL).


Mehr zu den Themen Haltung und Purpose auch in meinen Beiträgen:
»Braucht denn jetzt jede Marke einen Purpose?«
»Wie finden wir den Purpose unserer Marke?«
»
Findet euren Purpose mit dem Concious Marketing Modell.«
»
Braucht denn jetzt wirklich jede Marke einen Purpose?«
»
Wo kommt der Purpose meiner Marke her?«
»Haltung zeigen kann Marken nützen.«
»
Wie Marken in Krisen durch Haltung gewinnen.«
»Sollen Marken Stellung beziehen zu gesellschaftlich relevanten Themen?«
»
Wie Marken in Krisen durch Haltung gewinnen.«


Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Markendesignagenturen helfe ich, ihre Auftraggeber besser und ganzheitlicher zu beraten und das wichtige strategische Fundament für die weiteren Designprojekte zu erarbeiten. Mit innovativen Tools unterstütze ich, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Alleine, als Markenstrategieberater oder im Team mit Experten aus seinem Netzwerk.