Zwischen Kopf und Bauch mitten ins Herz – wie viel Emotionalität verträgt euer B2B Marketing?

Zwischen Kopf und Bauch mitten ins Herz – wie viel Emotionalität verträgt euer B2B Marketing?

München, den 09.07.2021
Autor: Andreas Wiehrdt
Titelbild: Adobe Stock

B2B-Marken werden häufig als unattraktive Stiefschwestern der beliebten und strahlenden Consumer Brands wie Apple, Mercedes, Samsung und Amazon wahrgenommen. B2B-Märkte sind irgendwie nischiger, nerdiger und ihre Marketingbudgets meist deutlich kleiner, die die ihrer großen B2C-Brüder und -Schwestern. Viele B2B-Marken finden dazu weitgehend unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit statt. Während B2C-Brands für ihren Mut, ihre Emotionalität und ihre Kreativität gefeiert werden, kommen B2B-Brands meist super-seriös, faktenbetont, sachlich, aber auch zum Gähnen langweilig daher. Dabei sind professionelle Einkaufsentscheider doch auch nur Menschen und entscheiden - das wird durch Studien gestützt – mehr aus dem Bauch als aus dem Kopf.

Mit diesem Beitrag möchte ich Marketingentscheidern in B2B-Unternehmen Mut machen, die Menschen hinter ihren professionellen Kunden zu entdecken und mit emotionaleren Kampagnen wirkungsvoller anzusprechen.

B2B-Marketing heute:
Kommunikation an B2B-Zielgruppen vermittelt zumeist Botschaften in begrenzten Special-Interest-Feldern. Die Texte orientieren sich am branchenüblichen Fachjargon. In überwiegend beamtenhaft sachlichlicher Tonalität werden zweckorientiert Angebots- und Nutzenvorteile kommuniziert. Ein großer Teil des Werbebudgets fließt in gedruckte Produktportfolios, die oft langweilig geschrieben, eintönig gestaltet, spaßbefreit und mit Text überfrachtet sind. Selbst wenn die sachliche Botschaft auf den Punkt gebracht wurde, trockene Fakten, be-igelte Produktquerschnitte oder ISO-Spezifikationen lösen wohl selten Begeisterung aus und lenken den Kaufentscheidungsprozess wohl eher auf das einzig verbleibende emotionale Kaufargument, den Schnäppchenpreis. Zahlenkolonnen, Excel-Tabellen und lange, trockene Texte statt Markenerlebnis und Nutzenversprechen. Hier ist kein Raum für kreatives Storytelling oder die emotionale Aufladung von Produktbotschaften. Und Spaß macht solch eher dröges Marketing doch schon gar nicht.

Auch professionelle Kaufentscheidungen sind emotionsgetrieben.
Wer immer noch glaubt, professionelle Einkäufer entscheiden ausschließlich rational und faktenbezogen, liegt ganz offensichtlich falsch. Verschiedene Studien zeigen ein völlig anderes Bild.

Eine emotionale Beziehung zur Marke erhöht die Kaufwahrscheinlichkeit und Preistoleranz bei professionellen Einkäufern. (Abbildung: BrandDoctor).

Eine Google-/Motista-Studie (siehe Abbildung links.) zeigt, dass berufsmäßige Einkaufsentscheider mit viel größerer Wahrscheinlichkeit von Unternehmen kaufen, wenn sie eine emotionale Bindung (Vertrauen, positive Erfahrungen, gleiche Werte etc.) an diese Marke haben, und – noch interessanter – offensichtlich bereit sind, einen vergleichsweise höheren Preis zu akzeptieren.

Mit seiner »Elefantenreiter-Analogie« beschreibt Sozialforscher Haid den Effekt der Postrationalisierung bei emotional getriebenen Entscheidungen. (Abbildung: BrandDoctor)

Jonathan Haidt (US-amerikanischer Professor für Psychologie an der Stern School of Business) beschreibt in seinem Buch »The Righteous Mind: Why Good People are Divided by Politics and Religion« den bekannten Effekt, dass Menschen dazu neigen, emotional geleitete Entscheidungen später rational zu begründen (Postrationalisierung). Um die Zusammenarbeit von Ratio und Intuition im menschlichen Gerhirn zu beschreiben nutzt er die »Elefantenreiter-Analogie« (siehe Abbildung links). Demnach versucht unser bewusstes, rationales Gehirn (der Elefantenreiter) unser deutlich stärkeres emotionales Gehirn (der Elefant) zu zügeln und ihm eine Richtung vorzugeben, muss sich dann aber häufig damit zufrieden zu geben, eigentlich emotionalen Impulse rationale Begründungen hinterher zu schieben. Wenn Sie Einkaufsentscheider nach ihren Entscheidungskriterien fragen, werden Sie fast immer rationale, faktische Entscheidungsgründe hören. Über die dahinter liegenden, emotionalen Gründe, sprechen professionelle Einkaufsentscheider eher ungern.

Eine Studie mit C-Level-Führungskräften zeigt die Kraft der Emotion bei B2B-Käufen. (Abbildung: BrandDoctor).

Eine Studie der PR-Agentur The Good Relations Group zeigt, worauf C-Level-Führungskräfte achten, bevor sie Entscheidungen im Zusammenhang mit einer Technologieanschaffung treffen. Von den 145 Führungskräften, die an der Umfrage teilgenommen haben:

  • gaben 93 % an, dass es wichtig ist, mit einem vertrauenswürdigen Anbieter zu arbeiten

  • gaben 91 % an, dass sie Einkäufe häufig aufgrund von persönlichen Empfehlungen tätigen

  • gaben 73 % an, dass sie bevorzugt von einer starken Marke kaufen würden

All diese Entscheidungskriterien basieren auf einer emotionalen Bindung und Vertrauen in den Anbieter. Schließlich birgt jede professionelle Investitionsentscheidung immer auch ein Risiko für Unternehmen und Entscheider. Niemand möchte die Person sein, die sich für einen schlechten Anbieter einsetzt oder ein Angebot ausgewählt hat, das die Erwartungen enttäuscht und das Unternehmen Geld und wichtige Kunden kostet.

Emotionen leiten Kaufentscheidungen auch bei professionellen Einkäufern. (Abbildung: BrandDoctor)

Emotion hat längst entschieden, während Ratio noch Informationen sammelt.
Wie in dem Buch »Emotionomics: Leveraging Emotions for Business Success.« von Dan Hill beschrieben, verarbeitet das emotionale Gehirn sensorische Informationen in einem Fünftel der Zeit, die das kognitive Gehirn benötigt. Das bedeutet, dass Menschen - Ihre potenziellen B2B-Kunden - schon fühlen, bevor sie denken. Möglicherweise haben sie in Bruchteilen einer Sekunde schon »aus dem Bauch heraus« entschieden ob euer Unternehmen und euer Angebot überhaupt für sie infrage kommt, bevor diese potenziellen Kunden die erste Zeile eures Werbemittels gelesen haben?

Führungskräfte hören auch bei wichtigen Kaufentscheidungen auf ihren Bauch. [Abbildung: BrandDoctor)

Professionelle Entscheider vertrauen zunehmend auf ihre Intuition. Die FORTUNE Knowledge Group hat zusammen mit der internationalen Full-Service-Agentur Gyro insgesamt 720 Führungskräfte befragt um herauszufinden, welche Rolle emotionale menschliche Faktoren spielen – im Entscheidungsprozess und bei der Auswahl von Geschäftspartnern.

Wenig analytisch und eher emotional sind Führungspersonen im B2B-Geschäft. Bei der Auswahl von Geschäftspartnern spielt die Reputation eine wichtige Rolle, sagten 70 % der Befragten. Eine hohe Bedeutung haben auch andere weiche Faktoren wie Vertrauen, Erfahrungen, Unternehmenswerte und -kultur. Es sei notwendig und zielführend, sich auf ein gutes Gefühl zu verlassen.

Wenig analytisch und eher emotional sind Führungspersonen im B2B Geschäft. Bei der Auswahl von Geschäftspartnern spielt die Reputation eine wichtige Rolle, sagten 70 % der Befragten. Eine hohe Bedeutung haben auch andere weiche Faktoren wie Vertrauen, Erfahrungen, Unternehmenswerte und -kultur.

B2B + B2C = B2P
Dass die alten Grenzen zwischen B2B- und B2C-Marketing immer durchlässiger werden, haben weitsichtige B2B-Marketer längst erkannt, setzen auf Emotionen und nutzen bewährte Techniken und Strategien aus dem Consumer-Marketing.

Wer sich die Marketingkampagnen bedeutender B2B-Marken wie SAP, accenture, cisco und salesforce anschaut, wird erkennen, dass sie in Professionalität, aber auch in emotionaler Qualität den Kampagnen erfolgreicher B2C-Marken in nichts nachstehen.

Spätestens seit der Erfindung des Laptops und dem (äußeren Umständen geschuldeten) Siegeszug des Home Office verschwimmen die Grenzen zwischen der professionellen und der privaten Persona immer mehr. Professionelle Einkaufsentscheider lernen die Annehmlichkeiten und Vorzüge von Social Media und digitalen Kanälen und Plattformen in ihrem Privatleben kennen und schätzen. Kein Wunder, dass Online und Social Selling längst Einzug in die Arsenale der B2B-Marketers gefunden haben.

Die Zeit der überseriösen, korrekten und unemotional sachlichen B2B-Kommunikation läuft (gottseidank!) ab.

Auch wenn die verbleibenden alteingesessenen B2B-Marketers das nicht gerne hören, B2B steht vor ähnlichen Herausforderungen wie B2C: Menschen müssen erst viele Male von eurer Marke gehört und gesehen haben, bevor ihr überhaupt wahrgenommen werdet und es braucht Empathie, ein relevantes Nutzenversprechen und bestenfalls gemeinsame Werte, um als Marke in das Relevant Set professioneller Kaufentscheider zu gelangen.

Ich bin überzeugt, es ist Zeit, nicht länger zwischen Business to Business und Business to Consumers zu unterscheiden sondern anzufangen, Business to People (B2P) zu betreiben.

Zusammengefasst:
Was wir eigentlich intuitiv längst wissen, wird durch Studien belegt: Professionelle Einkaufsentscheider lassen sich bei ihren Einkaufsentscheidungen viel mehr von ihrem Bauchgefühl leiten, als sie wahrhaben wollen. Deswegen ist es nur konsequent, dass B2B-Marketer endlich aufhören, ihre B2B-Kunden wie emotionslose Roboter zu behandeln und B2B-Marketing ausschließlich rational, faktengetrieben und letztlich langweilig und ineffektiv zu betreiben. Es gibt keinen Grund, B2B-Kommunikation nicht auch kreativ, emotional und spannend zu gestalten.

Wenn ihr Unterstützung dabei braucht, eure B2B-Kunden und deren Bedürfnisse und Vorbehalte besser zu verstehen, hilft euch der BrandDoctor gerne mit zielgerichtetem Research, wichtigen Customer Insights und einer maßgeschneiderten Value Proposition.


Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.

Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Alleine, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.

Andreas Wiehrdt

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