Was wir alle bei Customer Journeys missverstanden haben?
Autor: Andreas Wiehrdt
München, den 07.10.2024
Titelbild: DALL-E
Voraussichtliche Lesedauer: 9 Minuten
Ok, ich fühle mich schuldig. In unzähligen Customer-Journey-Mapping-Workshops habe ich meine Auftraggeberinnen und Auftraggeber vielleicht aufs Glatteis geführt. Ich habe ihnen erklärt, wie Customer Journey Mapping funktioniert und warum es so verdammt wichtig ist, dass die Marketingverantwortlichen verstehen, wie ihre Kundinnen und Kunden zu einer Kaufentscheidung finden. Ich habe ihnen Customer Journey Mapping als Werkzeug vorgestellt, um potenzielle Kundinnen und Kunden an den entscheidenden Touchpoints für ihre Marke zu gewinnen und ihre begrenzten Marketingbudgets so auf die aussichtsreichsten Kontaktpunkte zu fokussieren. Soweit war das auch in Ordnung und dazu stehe ich nach wie vor.
Der Fehler, den nicht nur ich mit dem Customer Journey Mapping immer wieder gemacht habe, war, dass uns die fertige Customer Journey Map an der Wand des Workshop-Raumes vorgegaukelt hat, so und genau so, wie dort abgebildet, würde jeder einzelne Interessent in Richtung Kaufabschluss reisen.
Aber die scheinbare Einfachheit dieser »Reise«-Metapher kann uns Marketingexperten manchmal dazu verleiten, Kunden als konforme Entscheider zu betrachten, die sich auf einem vorbestimmten, prognostizierbaren, linearen, transaktionalen Weg zum Kauf befinden, anstatt als komplexe Individuen, deren Informations- und Entscheidungsverhalten weit impulsiver und unvorhersehbarer sind, als uns das Customer-Journey-Modell weiß machen möchte.
Deswegen möchte ich euch in diesem Beitrag zeigen, wie wir die häufigsten Missverständnisse rund um die Customer Journey künftig vermeiden und das Tool des Customer Journey Mapping künftig anders und besser nutzen, um wichtige Informationskanäle unserer Kundinnen und Kunden zu identifizieren und in unserem Sinne mit Marketingmitteln beeinflussen.
Habt ihr Lust? Dann holt euch einen Tee oder Kaffee, es geht los.
Hallo, ich bin der BrandDoctor und helfe Unternehmerinnen und Unternehmern, Gründerinnen und Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. In diesem Blog für Markenverantwortliche und -entscheider schreibe ich regelmäßig über interessante Themen rund um Marke und Markenstrategie.
Was ihr aus diesem Beitrag mitnehmen könnt:
In diesem Beitrag erfahrt ihr nicht nur, was eine Customer Journey ist und wie euch Customer Journey Mapping dabei helfen kann, eure Marketingressourcen auf die wirklich wichtigen Touchpoints zu fokussieren, ich helfe euch auch, häufige Fehler im Umgang mit Customer Journey Maps zu vermeiden. Außerdem gebe ich euch ein paar wichtige Praxistipps an die Hand, für die Erstellung eurer eigenen Customer Journey Map.
Begriffsklärung:
Customer Journey Die Customer Journey beschreibt den gesamten Weg, den Kundinnen und Kunden vom ersten Kontakt mit einer Marke bis hin zum Kauf (und darüber hinaus) durchlaufen. Sie zeigt auch alle Berührungspunkte (Touchpoints) zu deiner Marke, die wichtig sind, um Informationen zu geben, Interesse zu wecken, Vertrauen aufzubauen und letztlich die Kaufentscheidung zu beeinflussen. Richtig angewandt ist dieses Konzept für Marketingverantwortliche Gold wert, weil es hilft, gezielt auf die Bedürfnisse der Zielgruppe einzugehen und sie an den richtigen Stellen abzuholen. So lassen sich selbst restriktive Marketingbudgets auf die potenziell effektivsten Touchpoints fokussieren.
Customer Journey Mapping
Mithilfe des Customer Journey Mappings lassen sich selbst komplexe Customer Journeys vereinfacht abbilden und so operationalisierbar machen. Customer Journey Mapping zeigt dir Schritt für Schritt, wie deine Kunden von der ersten Berührung bis zum Kaufabschluss vorgehen. Es hilft dir, die positiven Erlebnisse mit deiner Marke zu verstärken und negative Hürden zu beseitigen. So kannst du die Customer Experience aktiv verbessern. Für Marketingverantwortliche ist das Tool unverzichtbar, weil es nicht nur das Verhalten, sondern auch die Gefühle und Motivationen der Kundinnen und Kunden in jeder Phase der Kaufentscheidung sichtbar macht. Am Ende optimierst du deine Marketingkommunikation und deine Markenerlebnisse passgenau auf die Bedürfnisse deiner Zielgruppe.
Touchpoint
Ein Touchpoint ist jeder Berührungspunkt, an dem eine Kundin oder ein Kunde mit deiner Marke in Kontakt kommt. Das kann online über deine Website, Social Media oder Werbung sein, aber auch offline in Form eines Geschäftsbesuchs, eines Gesprächs mit dem Kundenservice oder durch Empfehlungen von Freunden und Bekannten. Jeder dieser Momente (Moment of Trouths) beeinflusst, wie eine Kundin oder ein Kunde deine Marke wahrnimmt. Touchpoints sind wichtig, weil sie die gesamte Erfahrung prägen und oft darüber entscheiden, ob die Kundin oder der Kunde weitergeht Richtung Kaufentscheidung oder abspringt und sich einem alternativen Angebot zuwendet. Deshalb solltest du die Erfahrung mit deiner Marke an jeden wichtigen Berührungspunkt bewusst gestalten und optimieren.
1. Customer Journey Mapping: der Schlüssel zu effizienteren Marketingmaßnahmen.
Customer Journey Mapping hilft dir, die Berührungspunkte deiner Kunden mit der Marke zu verstehen und diese gezielt zu optimieren. Es zeigt dir, an welchen Stellen im Kaufprozess potenzielle Hürden oder Chancen liegen. So kannst du deine Marketingmaßnahmen präziser ausrichten und die Kundenreise positiv beeinflussen. Indem du erkennst, welche Touchpoints wirklich relevant sind, sparst du Ressourcen und investierst gezielt in Maßnahmen, die den größten Impact haben. Statt wahllos Marketingbudgets zu streuen, kannst du bewusst dort agieren, wo es am meisten Sinn macht. Das führt zu einer besseren Kundenerfahrung und steigert gleichzeitig die Effizienz deiner Investitionen. Außerdem hilft das Mapping dabei, Schwachstellen im Prozess frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Am Ende hast du nicht nur zufriedenere Kundinnen und Kunden, sondern auch bessere Ergebnisse. Ein klarer Fahrplan für deine Marketingstrategie, der dir Zeit und Geld spart.
2. Das Missverständnis der »universellen« Kundenreise
Viele denken, dass eine Customer Journey Map die genaue Reise jedes einzelnen Kunden widerspiegelt, als würden alle exakt die gleichen Schritte in der gleichen Reihenfolge durchlaufen. Das ist ein Irrglaube. Jede Kundin und jeder Kunde hat andere Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Erwartungen. Während einige zügig und direkt zur Kaufentscheidung kommen, ist die Reise für andere länger und komplexer. Die Linearität einer typischen Journey Map täuscht, denn in der Realität springen Kunden oft hin und her, besuchen einige Touchpoints mehrfach oder überspringen einfach Phasen. Eine echte Customer Journey ist selten linear – und genau das macht sie so spannend und herausfordernd.
Wusstet ihr, dass ihr meinen gesamten Blog nach Stichworten durchsuchen lassen könnt? Findet in über 150 Fachbeiträgen genau die Themen, die euch gerade interessieren.
3. Jede Customer Journey ist individuell
Kunden besuchen auf ihrer Reise unterschiedliche Touchpoints – und das oft in ganz eigener Reihenfolge. Ihre Entscheidungen hängen von verschiedenen Faktoren ab: Wie motiviert sind sie? Wie viel wissen sie schon über das Produkt? Oder werden sie gerade von äußeren Einflüssen wie Freunden oder Medien beeinflusst? Das sorgt dafür, dass die Kundenreise selten geradlinig verläuft. Kunden springen zwischen Touchpoints hin und her, überspringen manchmal Phasen oder durchlaufen sie mehrfach.
Stell dir zwei Kunden vor: Der erste sieht eine Online-Anzeige, liest ein paar Online-Bewertungen und kauft direkt. Der zweite stößt durch die Empfehlung einer Freundin auf die Marke, besucht mehrmals den Shop, liest sich dann tief in Blogs und Foren ein und trifft erst nach Wochen eine Kaufentscheidung. Beide haben ganz andere Wege genommen und andere Touchpoints in unterschiedlicher Reihenfolge besucht – und das ist typisch für Customer Journeys.
4. Der Wert der Customer Journey Map als Prototyp
Eine Customer Journey Map stellt natürlich nicht die individuelle Reise jedes einzelnen Kunden dar, sondern ist eher ein Prototyp, der typische Muster und Verhaltensweisen der Mehrzahl deiner Kundinnen und Kunden aufzeigt. Sie hilft dir, die potenziellen Berührungspunkte zu identifizieren, an denen Kundinnen und Kunden mit deiner Marke in Kontakt kommen könnten – ob es online über Social Media, im persönlichen Gespräch mit Peers oder Expertinnen und Experten oder offline im Geschäft ist. Diese Map zeigt dir keine starren, festgelegten Wege, sondern dient als Orientierungshilfe, um die wichtigsten Touchpoints sichtbar zu machen, die häufig angesteuert werden. Dabei ist es entscheidend zu verstehen, dass nicht jeder Kunde alle Touchpoints besucht, geschweige denn sie in der derselben Reihenfolge durchläuft.
Trotzdem bietet eine gut durchdachte Customer Journey Map enorme Vorteile: Sie hilft dir, den Fokus auf die Touchpoints zu legen, die den größten Einfluss auf das Kundenerlebnis und die Kaufentscheidung haben. So kannst du gezielt die Touchpoints priorisieren, an denen deine Marke den größten Einfluss nehmen kann. Diese Priorisierung ermöglicht es dir, deine Marketingressourcen effizienter einzusetzen und zu wissen, wo sich Investitionen lohnen. Wenn du weißt, welche Touchpoints am wichtigsten sind, kannst du sicherstellen, dass deine Marke dort präsent ist, um potenzielle Kunden zur richtigen Zeit mit der richtigen Botschaft zu erreichen. Am Ende hilft die Map nicht nur dabei, die Kundenreise besser zu verstehen, sondern macht dein Marketing auch effektiver und zielgerichteter.
Die oben abgebildete exemplarische Customer Journey Map zeigt die wichtigsten Touchpoints potenzieller Kundinnen und Kunden mit einer Marke und dient dazu, die wichtigsten Touchpoints zu identifizieren und in einem Marketingplan zu priorisieren. (Abbildung: BrandDoctor). Durch Klicken auf die Abbildung wird der Download einer PDF-Datei gestartet.
5. Praxis-Tipps für effektives Customer Journey Mapping
Hier ein paar praktische Tipps, um eine wirklich effektive Customer Journey Map zu erstellen: Der erste Schritt besteht darin, Annahmen darüber zu treffen, wie deine Kundinnen und Kunden mit deiner Marke interagieren. Diese Annahmen bilden die Grundlage für deinen ersten Entwurf der Map. Aber dieser Entwurf ist nur ein Ausgangspunkt – das wahre Potenzial liegt darin, ihn mit echten Daten zu überprüfen. Nutze Tools wie Kundenfeedback, Umfragen, Analytics-Daten von deiner Website oder Social Media Insights, um herauszufinden, ob deine Annahmen wirklich der Realität entsprechen. Diese Daten helfen dir, zu erkennen, ob die Touchpoints, die du vermutest, wirklich genutzt werden oder ob vielleicht unerwartete Berührungspunkte eine größere Rolle spielen.
Aber das ist nur die halbe Miete. Customer Journeys sind keine statischen Gebilde, sie verändern sich mit der Zeit. Neue Technologien, verändertes Kaufverhalten oder externe Faktoren wie wirtschaftliche Entwicklungen können das Verhalten deiner Kundinnen und Kunden beeinflussen. Daher ist es wichtig, dass du deine Customer Journey Map regelmäßig überprüfst und anpasst. Vielleicht gibt es plötzlich neue Touchpoints, wie etwa neue Social-Media-Plattformen, oder bestimmte Phasen der Reise fallen weg, weil sich das Verhalten verändert hat. Eine aktuelle und flexible Map stellt sicher, dass du immer weißt, wo und wie du deine Marketingmaßnahmen am effektivsten einsetzen kannst.
Ein weiterer wichtiger Schritt: Denke an deine verschiedenen Zielgruppen oder Personas. Nicht jeder Kunde durchläuft dieselbe Reise. Der technikaffine Millennial interagiert ganz anders mit deiner Marke als die erfahrene Kundin, die sich auf persönliche Empfehlungen und eine umfassende Beratung verlässt. Deshalb lohnt es sich, für jede Persona eine eigene Customer Journey Map zu erstellen und zu sehen, wie unterschiedlich die Berührungspunkte und der Entscheidungsprozess sein können. So kannst du sicherstellen, dass du jede Zielgruppe individuell ansprichst und keine wichtigen Touchpoints übersiehst, die für einen bestimmten Kundentyp entscheidend sein könnten. Je besser du diese unterschiedlichen Reisen verstehst, desto gezielter kannst du deine Marketingmaßnahmen auf die Bedürfnisse deiner Kundinnen und Kunden abstimmen.
Mehr darüber, wie ihr aussagefähige Customer Journey Maps erstellt, lest ihr in meinem Beitrag »Die Kaufentscheidung nicht dem Zufall überlassen: Customer Journey Mapping.« hier im Blog. Wie ihr mithilfe des Customer Journey Matrix die Customer Experience verbessert, lest ihr im gleichnamigen Beitrag [hier] im Blog.
Wenn ihr euch Unterstützung dabei wünscht, eure erste Customer Journey Map zu entwickeln, um eure Marketingressourcen künftig auf die wirklich entscheidenden Touchpoints zu fokussieren, empfehle ich euch meinen eintägigen Customer-Journey-Mapping-Workshop, in dessen Rahmen wir zusammen mit wichtigen Stakeholdern aus eurem Unternehmen die ersten Maps entwickeln.
In meinen speziell konzipierten Customer-Journey-Mapping-Workshops erarbeiten wir zusammen mit euch und wichtigen Stakeholdern aus eurem Unternehmen die Customer Journey Maps wichtiger Zielgruppen-Personas. (Abbildung: BrandDochtor).
6. Fazit: Das richtige Verständnis führt zu besseren Marketingentscheidungen
Was kannst du aus diesem Beitrag für deine Arbeit mitnehmen? Customer Journey Mapping ist ein unschätzbares Werkzeug, um die Interaktionen deiner Kunden mit deiner Marke besser zu verstehen und zu optimieren. Es zeigt dir, wo die entscheidenden Berührungspunkte liegen und hilft dir, dein Marketingbudget gezielt auf diese Touchpoints zu fokussieren. Wichtig dabei: Vermeide den Fehler zu denken, dass eine Map die exakte Reise jedes einzelnen Kunden abbildet. Kunden haben unterschiedliche Wege, springen zwischen Touchpoints hin und her und folgen keiner festgelegten Reihenfolge.
Nutze deine Map als flexible Orientierungshilfe, um typische Muster zu erkennen und deine Marketingmaßnahmen an den relevanten Punkten anzusetzen. Denk auch daran, die Map regelmäßig mit echten Daten zu validieren und anzupassen. Veränderungen im Verhalten oder neue Technologien beeinflussen die Reise deiner Kunden. Am besten spielst du auch verschiedene Personas* durch, um sicherzustellen, dass du alle wichtigen Berührungspunkte für unterschiedliche Kundentypen abdeckst.
Mein Tipp: Probiere Customer Journey Mapping selbst einmal aus oder wirf einen kritischen Blick auf deine bestehende Map und überlege, ob sie noch den aktuellen Kundenbedürfnissen entspricht.
* Wie, du hast noch gar keine Personas für deine wichtigsten Zielgruppen entwickelt? Was Personas sind und wie sie dir und deinem Team dabei helfen, wichtige Zielgruppen effektiver anzusprechen, verrate ich meinem Beitrag »Warum Zielgruppen einen Vornamen brauchen.« hier im Blog.
Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.
Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Allein, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.