Produkt oder Unternehmen, wem nützt die Marke mehr?
Produkt oder Unternehmen, wem nützt die Marke mehr?
Autor: Andreas Wiehrdt
München, den 20.07.2021
Titelbild: Photo by Charles Koh on Unsplash
»Sprechen wir jetzt über das Unternehmen, die Marke oder unser Produkt, Herr Wiehrdt?«. Letzte Woche durfte ich einen Brand Workshop moderieren, für ein Start-up, das tatsächlich (bisher) nur ein Produkt herstellt und vermarktet. Als wir gemeinsam das Thema Werte erarbeiten wollten, kam diese wirklich gute Frage.
Hilft die Marke eher das Unternehmen, das Produkt oder beide zu vermarkten? Und, macht der Kunde da überhaupt einen Unterschied?
Mit diesem Beitrag möchte ich allen Markenverantwortlichen und Unternehmern helfen, sicherer zwischen Unternehmens- und Produktmarken zu differenzieren, indem ich hier mal die Unterschiede erkläre.
Tempo ist zwar eine Marke aber auch zum Synomym für ein bestimmtes Produkt geworden: Papiertaschentücher. Das Unternehmen dahinter, den schwedischen Konzern Essity, kennt wohl kaum ein Verbraucher (wir sollten hier besser vom Gebraucher sprechen). Muss er auch nicht kennen. Denn die starke Marke Tempo ist so bekannt, beliebt und strahlt so viel Vertrauenswürdigkeit aus, dass es dem Käufer völlig egal zu sein scheint, wer das beliebte Papiertaschentuch gerade herstellt. (Vereinigte Papierwerke, VP-Schickedanz, Procter & Gamble, SCA, Essity). Hier sind Produkt und Marke perfekt verschmolzen. Und wenn der Kunde zu den Papiertaschentüchern beispielsweise auch noch Kosmetiktücher oder Toilettenpapier von Tempo kauft, hat der Markentransfer ja perfekt funktioniert.
Ähnlich und doch anders sieht es zum Beispiel bei dem Hersteller von Haushaltsgeräten und Bodenbelägen Vorwerk aus Wuppertal aus. Hier sind Produkte oder Produktgruppen wie der Kobold für Staubsauger oder die intelligenten Küchenmaschinen Thermomix längst zu eigenständigen starken Marken geworden, die sich vermutlich auch weiterhin gut verkaufen würden, wenn Vorwerk diese Marken an einen anderen Hersteller abgeben würde. Die Sparte Bodenbeläge allerdings profitiert weiterhin stark von der Unternehmensmarke. Teppiche und Bodenbeläge der Marke Vorwerk sind nach wie vor ein Qualitätsführer. Hier steht die Unternehmensmarke klar im Vordergrund. Der Absatz würde stark darunter leiden, kämen die Teppichböden künftig von einem anderen Hersteller.
Markenarchitektur am Beispiel NIVEA (Abbildung: BrandDoctor).
Noch einmal anders ist die Situation bei der beliebten italienischen Pasta-Marke Barilla: Hier ist das Unternehmen Barilla für die Pastaliebhaber in aller Welt, letztlich eins mit der Marke. Unter der Monomarke gibt es dann nur noch verschiedene Pastasorten und -formen. Dass der gleichnamige Konzern neben der Pasta auch noch beispielsweise Knäckebrot (Wasa), Toastbrot (Harry's), Grissini und Cracker (Mulino Bianco) sowie Kekse und Schokogebäck (Pan di Stelle) unter anderen Marken vertreibt, weiß kaum ein Pastakoch, interessiert ihn oder sie auch sicher nicht.
Drei Marken – drei Systeme. Und damit auch schon eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage (Hilft die Marke eher das Unternehmen, das Produkt oder beide zu vermarkten?): »Kommt d'rauf an.«. Will sagen, ob sich eine Marke eher auf den Hersteller, eine Product Range, oder ein einzelnes Produkt bezieht, bleibt letztlich eine strategische Markenentscheidung der Unternehmensführung. Jedes System hat sein Vor- und Nachteile (auf die ich hier, um den Beitrag kompakt zu halten, nicht eingehe). Und, es kann durchaus sinnvoll sein, die ursprüngliche Portfolio-Strategie zu ändern, wenn die Marktgegebenheiten das erfordern. So sind beispielsweise Tempo und Nivea einst als Monoproduktmarken gestartet und helfen heute als Range-Marken oder Markenfamilie eine Vielzahl an Produkten zu verkaufen.
Wenn wir also – zum Beispiel in Marken-Workshops – gemeinsam daran arbeiten, wichtige Aspekte einer Marke (neu) zu definieren, müssen wir vorher entscheiden, ob es sich hier um eine Unternehmensmarke, eine Markenfamilie oder eine Produktmarke handelt; in der Wahrnehmung der Kunden und in den strategischen Plänen der Geschäftsleitung. Mit der Markenarchitektur ist dann auch die Eingangsfrage geklärt, und die strategische Markenarbeit kann sich produktiv auf die richtigen Aspekte konzentrieren.
Mehr zum Thema Markenarchitektur, welche grundsätzlichen Modelle es hier gibt und welche Architektur die beste für euer Unternehmen ist, lest ihr hier im Blog in meinem Beitrag »Was ist Markenarchitektur und warum muss ich das wissen?«.
Zusammengefasst:
Grundsätzlich sind Hersteller Marke und Produkt drei völlig verschiedene Dinge. Produkte werden von Unternehmen hergestellt und können von Kunden im Austausch gegen Geld gekauft werden, während Marken durch die Wahrnehmungen, Erwartungen und Erfahrungen der Verbraucher mit allen Produkten oder Dienstleistungen unter dem Dach einer Marke in den Köpfen der Kunden entstehen.
Wo eine Marke verortet werden soll, also beim Unternehmen (Unternehmensmarke), bei einem Sortiment (Sortimentsmarke) oder bei einem Produkt (Produktmarke) , entscheidet die Unternehmensführung. Sie kann diese Entscheidung im Laufe der Zeit revidieren, wenn Marktentwicklungen oder Strategieänderungen dies erfordern.
Ist erst einmal entschieden, auf welcher Ebene die Marke wirken soll, fällt es viel leichter, die Marke in allen wichtigen Dimensionen und Aspekten (neu) zu entwickeln.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern und Unternehmen dabei, Markenarchitektur und starke Marken strategisch (neu) zu entwickeln. Zum Beispiel partizipativ im Rahmen von Marken-Workshops. Wie ich das mache, darüber spreche ich sehr gerne mit euch zum Beispiel am Telefon. Mehr zum Thema Nutzen von Marken-Workshops auch hier in meinem Beitrag »Marken-Workshops schaffen Klarheit zu wichtigen strategischen Fragen eurer Marke.«
Der BrandDoctor hilft bei wichtigen Markenentscheidungen mit Tragweite.
Als BrandDoctor helfe ich Unternehmern, Gründern und Marketingverantwortlichen sowie Marken- und Designagenturen dabei, ihre wichtigen Marken- und Marketingentscheidungen professionell und Erfolg versprechend zu treffen. Mit innovativen Tools unterstütze ich sie, das wichtige strategische Fundament dafür zu legen, mit ihren Marken nachhaltig erfolgreich am Markt zu agieren.
Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Alleine, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.