Das neue Markensegmentationsmodell der GfK ist raus.

Autor: Andreas Wiehrdt
München, den 07.12.2021
Titelbild: iStock by Getty

Das neue Markensegmentationsmodell der GfK ist raus.

Als ich Anfang der 80er-Jahre meine Diplomarbeit über das Phänomen Handelsmarke schrieb, gab es zumindest in Deutschland noch nicht eine einzige Discount- oder Supermarktkette, die sich traute, den guten alten Markenprodukten eine Eigenmarke entgegenzusetzen. Und ich musste meine Diplomarbeit noch auf einer IBM-Kugelkopf-Schreibmaschine tippen! Das ist aber auch schon verdammt lange her.

Heute hat sich das komplett geändert. Je nach Einzelhandelsform beträgt der Anteil von Eigen- oder Handelsmarken am Umsatz laut GfK bereits bis zu 40 Prozent. Und wir alle haben Gott sei Dank Computer zum Schreiben.

In diesem Beitrag möchte ich kurz auf ein neues Segmentationsmodell für Food-Marken der GfK eingehen, weil ich glaube, dass diese neue Sichtweise auf Marken auch für Non-Food-Marken interessant sein könnte.

Hatte man bei den Lebensmittelketten anfangs für die ersten billigen Handelsmarken auf rein funktionale Grundnahrungsmittel wie Mehl und Zucker gesetzt (sogenannte Preiseinstiegshandelsmarken), traute man sich mit zunehmender Akzeptanz der Handelsmarken auch an Mehrwertmarken und später sogar ans Premiumsegment ran. Heute sehen wir beispielsweise bei REWE neben der Preiseinstiegsmarke »ja!« auch Mehrwertmarken wie »REWE Beste Wahl«, »REWE Bio« oder »REWE Regional« und eine hochpreisige Range von Premiumprodukten unter der Marke »REWE Feine Welt«.

Warum schreibe ich das? Weil sich Deutschlands größtes Konsumforschungsinstitut GfK wohl auch deswegen entschlossen hat, sein bisheriges, eher preis getriebenes Segmentationsmodell für Lebensmittelmarken der neuen Zeit anzupassen.

Spannend finde ich dabei, dass die neue Segmentierung sich (endlich!) an den Bedürfnissen der Kunden orientiert. Gemeint sind hier die Kunden der Marken, nicht der GfK. Letztere hat nämlich festgestellt, dass der anhaltende Erfolg der Supermärkte (gegenüber den Discountern) wohl auch darauf zurückzuführen sei, dass Supermärkte bei ihrem Angebot stärker auf die Bedürfnisse ihrer Kunden abzielen, während die Discounter immer noch nur den Preis in den Mittelpunkt stellen.

Das neue Modell der GfK unterscheidet vier Arten von Marken, die unterschiedliche Bedürfnisse der Kunden befriedigen sollen:

  1. Funktionsmarken

  2. Hybridmarken

  3. Sozialmarken

  4. Visionsmarken

Da von dieser neuen Segmentation alle Markenschaffenden profitieren, nicht nur die Food-Marken, möchte ich die Unterschiede respektive die Definition dieser Segmentierung hier kurz erklären.

Die alte Markenpyramide der GfK differenziert Marken nach dem Preissegment, in dem sie sich positionieren (Abbildung GfK).

Die neue Markenpyramide der GfK orientiert sich an den Bedürfnissen, die diese Marken befriedigen (Abbildung GfK).

Die optimierte Version des neuen GfK-Markensegmentationsmodells definiert die Sozialmarke etwas klarer und behält die Preismarke im Modell (Abbildung: BrandDoctor).

  1. Funktionsmarken sind meist große bekannte Marken, mit Tradition und klassischen Versprechen, wie eine häufig sehr hochwertige, funktionale Qualität, der die Shopper vertrauen.

  2. Hybridmarken sind Funktionsmarken mit Zusatznutzen, zum Beispiel Regionalität oder Nachhaltigkeit.

  3. Sozialmarken sind Marken mit einer deutlich nachhaltigen Ausrichtung, die aber auch einen gewissen Lifestyle-Anspruch der Shopper befriedigen.

  4. Visionsmarken sind Marken mit einer erklärten Vision, einem erkennbaren Purpose und einem klaren Wertekompass, der aktiv vorangetrieben wird. Marken, die aus Sicht der Shopper gut sind und Gutes tun. Visionsmarken zeichnen sich unter anderem aus durch ihr Engagement im Bereich Nachhaltigkeit über das eigene Produkt hinaus, beispielsweise durch eigene Initiativen. Der Kunde traut diesen Marken zu, dass sie Gutes für den Planeten und die Gesellschaft tun. Hinzu kommt ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und eine hohe Verfügbarkeit, wodurch diese Marken zur »Öko-Demokratisierung« (GfK) beitragen würden.

Ich finde den Switch der GfK zu einem neuen Modell grundsätzlich richtig. Für mich machen besonders Funktions- und Visionsmarken komplett Sinn. Die Abgrenzung der Hybrid- zur Funktionsmarke finde ich persönlich schwierig. Ich würde die Sozialmarke anders differenzieren, nämlich als Marke, die Bedürfnisse nach sozialem Status und Anerkennung bedienen (Rolex). Und ich würde die Preismarke aus dem alten Modell behalten wollen, weil auch sie ja ein wichtiges Bedürfnis vieler Shopper befriedigt, nämlich möglichst smart und günstig einzukaufen. Die Preismarke würde ich in der Hierarchie unter die Funktionsmarke packen. Das wäre dann mein perfektes Modell.

Was haltet ihr vom Modell? Wo würdet ihr eure Marke heute einordnen? Wohin würdet ihr eure Marke gerne entwickeln?


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Über den Autor: Andreas Wiehrdt entwickelt und revitalisiert Marken seit über 20 Jahren. Allein, als Markenstrategieberater oder im Team mit erfahrenen Spezialisten aus seinem Kompetenznetzwerk.


Wie ich’s mit dem Gendern halte:

Im Interesse einer besseren Lesbarkeit und aus Respekt vor unserer schönen deutschen Sprache habe ich mich dazu entschlossen, nicht ausdrücklich in geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen zu differenzieren. Die meist gewählte männliche Form schließt aber natürlich eine adäquate weibliche Form oder jede andere Form gleichberechtigt ein.

Andreas Wiehrdt

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